Weihnachten wird mit vielen positiven Schlagworten verbunden: Friede, Freude etc. Und dann kommt der Stephanitag mit einer sehr blutigen Geschichte. Pfarrer Slawomir Dadas beschäftigt sich in seiner Predigt mit den Fragen dieser Evangeliumsstelle, die sich auch an uns stellen.
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Liebe Schwestern, liebe Brüder,
das Weihnachtsfest verbinden wir mit einer besonderen Stimmung. Sie soll möglichst wenig mit Gewalt und Brutalität zu tun haben, ja sie ist sogar ein wenig weltfremd. Vielleicht haben sich aus dem Grund die Fernsehprogrammmacher inspirieren lassen und gestern mehrere Heimatfilme aus der Vergangenheit gezeigt. Filme, die in der Nachkriegszeit entstanden sind und vor allem die Menschen aufrichten sollen nach den schrecklichen Ereignissen der Diktatur. Darum sind sie thematisch wie gestalterisch ein wenig irreal und versuchen, nur einen kleinen und angenehmen Teil der Wirklichkeit darzustellen. Als besondere Themen werden dabei Freude, Spaß, Liebe, Beziehungen, Natur, gutes Essen und Musik behandelt.
Auch das Weihnachtsfest wird manchmal auf ähnliche Weise betrachtet. Alles ist so lieb, und das Kind so süß. Die höflichen Hirten sind bereits da und die großzügigen Könige auch schon bereits unterwegs. Der Alltag und seine Probleme werden ausgeblendet, alle Menschen scheinbar glücklich und zufrieden, leicht berauscht, um die Realität zumindest für einige Momente zu vergessen.
In diese Situation platzt der zweite Weihnachtstag ein wenig unpassend hinein. Da wird zuerst von einem Streit zwischen Stephanus und den Vertretern der Synagoge berichtet. Und als sich herausstellte, dass Stephanus sehr redegewand war und sich von seinen Ideen nicht abbringen hat lassen und noch dazu behauptete, den Himmel offen sehen zu können, dann ist ein lautes Geschrei entstanden und er wurde gesteinigt, also ermordet. Die blutbeschmierten Kleider hat man dem Saulus zum Zeugnis und zur Bestätigung des Todes übergeben.
Sie merken selbst, dass diese Geschichte den Weihnachtsfrieden ein wenig stört. Wenn wir sie lesen, dann ist sie ungefähr so, also ob wir gestern statt eines Heimatfilmes einen brutalen Krimi mit mehreren Toten angeschaut hätten, um von der zuckersüßen Weihnachtsstimmung auf den Boden der Realität wieder zurückgeführt zu werden. Trotzdem hat gerade der Stephanitag einen wichtigen Platz in der Weihnachtszeit. Denn dieser junge Märtyrer wirft zwei sehr wichtige Fragen hinein, die ohne Geburt Jesu nicht verstanden werden könnten.
Zuerst fragt er uns: Was ist für dich der offene Himmel und was siehst du darin. Sind das die Packerl unter dem Christbaum, oder die Weihnachtsgans, oder die Ruhe, weil sich jeder zusammenreißt?
Die zweite Frage ist vielleicht noch ungewöhnlicher. Er fragt: Wofür lohnt es sich zu sterben? Gibt es etwas in meinem Leben, was ich in keinem Fall aufgeben möchte. Gibt es Werte, Ideale, für die ich kämpfe, ohne die ich nicht leben kann? Und wenn ja, wo sind sie verankert: hier im Irdischen oder dort im offenen Himmel.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Ich hoffe, dass Stephanus Ihre Weihnachtsidylle nicht ganz kaputt macht. Denn manchmal brauchen wir Menschen Zeiten des Abschaltens und des Ausblendens der Brutalität des Alltags und des Kampfes um das Überleben. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass uns Stephanus dem Kern der Weihnachtsbotschaft näher bringt und uns in unserem Glauben stärkt. Darum wünsche ich uns, dass wir – wie er – in den offenen Himmel schauen können und uns von dort Kraft holen für das Leben nach solchen Werten, für die es sich lohnt, zu sterben.