In der Predigt zum Muttertag bekannte sich Pfarrer Slawomir Dadas als „Muttertagsfan“
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der Muttertag wird in unserer Gesellschaft mit sehr gemischten Gefühlen begangen. Einige lehnen ihn ab, weil er ihnen zu aufgezwungen erscheint. Die anderen verzichten auf ihn, weil er scheinbar mit der Realität und der Anerkennung der Mütter im Alltag während des Jahres nichts zu tun hätte. Wieder andere wollen sich den Stress nicht antun, bald aufstehen zu müssen, um rechtzeitig zu frühstücken, damit die ganze Sippe pünktlich den reservierten Mittagstisch erreicht. Es scheint, dass der Muttertag nur noch in wenigen Familien mit Freude und in einer entspannten Atmosphäre gefeiert wird. Ich bin ein bekennender Muttertagfan und darum möchte ich heute ein Plädoyer für dieses Fest halten, wobei es zuerst notwendig sein wird, ihn von einigen Erwartungen, Wünschen und Zwängen frei zu machen.
Ich betrachte den Muttertag nicht als einen Tag der Dankbarkeit für Leistungen, die eine Frau während des Jahres vollbracht hatte. Sollte sie mehr getan haben als die anderen zum Wohl der Familie, oder sollte sie nur für die unangenehmsten Dinge zuständig sein, dann müsste sie sich emanzipieren und von den anderen mehr Engagement in allen Bereichen verlangen: auch von ihrem Mann und auch von ihren Kindern.
Der Muttertag ist für mich auch kein Tag der Freude über die geborenen Arbeitskräfte einer Gesellschaft damit diese überleben kann. Solche Anerkennung bekommen Frauen vor allem in totalitären Systemen, die auf das Reinheitsgebot der Rasse bedacht sind. Wir Christen bewerten die Menschen nicht nach der Anzahl der Geburten, sondern wenn überhaupt, dann nach der verschenkten Liebe.
Und endlich darf für mich der Muttertag kein Tag der Stress erzeugenden Rituale sein, um die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen. Es soll ein Tag der Zuwendung zu einer Frau entsprechend ihren Bedürfnissen sein.
Auf diesem Hintergrund möchte ich Sie ermutigen, den Muttertag zu feiern als einen Tag, an dem wir die Liebe Gottes besser verstehen können. Denn die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern ist immer ein Abbild der Liebe Gottes zu den Menschen, die selbstverständlich gefeiert gehört. Die Liebe einer Mutter hat einige Eigenschaften der Liebe Gottes und zumindest auf die wesentlichen von ihnen möchte ich kurz eingehen.
Zuerst ist die Liebe der Mutter ein Abbild der Liebe Gottes, indem die Mutter wie Gott zuerst liebt, bevor das Kind zu lieben beginnt. Sie ist an keine Vorleistungen gebunden, an kein „Wie du mir, so ich dir“. Es ist eine beschenkende, großzügige Liebe aus dem Gefühl und aus der Überzeugung heraus, dass ein Mensch sie braucht, um sich entfalten, reifen und wachsen zu können.
Weiters ist die Liebe der Mutter ein Abbild der Liebe Gottes, weil sie zu einem freien, erfüllten Leben verhelfen sollte. Sie begleitet. Sie darf nicht binden, nicht klammern, nicht festhalten. Sie darf niemandem die eigene Vorstellung von Glück aufdrängen, sondern sie muss immer dazu bewegen, ein Stück des Weges mitzugehen aber auch immer wieder loszulassen, damit das Kind für sich selbst Entscheidungen treffen kann.
Die Liebe der Mutter ist ein Abbild der Liebe Gottes, weil sie einiges aushalten muss, ohne die Hoffnung aufzugeben, dass sich alles zum Guten wenden wird. Sie lässt gegen jede Logik träumen, dass das Kind trotz einiger Umwege ans Ziel seines Lebens kommt. Sie gibt Kraft, Krisen und Tiefen durchzustehen und nicht aufzugeben, wo alle anderen schon längst weggelaufen sind.
Endlich ist die Liebe der Mutter ein Abbild der Liebe Gottes, weil sie nie endet. Sie beschränkt sich nicht auf die Zeit der Kindheit und der Jugend, sondern geht mit ins Erwachsenenalter und über den Tod hinaus. Sie begleitet ununterbrochen, auch wenn sie sich öfters verändert und immer neue Formen annimmt.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Mutterliebe, die in der Liebe Gottes ihren Ursprung findet, ist Grund genug, um den Muttertag zu feiern. Er darf aber nicht im Sinne der Erledigung einer Verpflichtung oder einer einmaligen Anerkennung der Leistungen gesehen werden. Der Muttertag ist ein Tag der Dankbarkeit, dass es Frauen gibt, die bereit sind, am Wunder des Lebens teilzunehmen, die sich – wie Gott – den anderen zuwenden, die in der Welt zum Abbild der Liebe Gottes werden. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, die Bemühungen unserer Mütter zu sehen und anzuerkennen. Ich wünsche uns, dass wir auf ihre Sorgen und Anstrengungen mit der Liebe antworten können.