Jesus vertraut dem Zöllner Zachäus, er traut ihm etwas zu. Durch dieses Vertrauen gewinnt Zachäus die Kraft, sein Leben zu ändern. Gibt es die Begegnung mit Jesus auch für uns, und sind wir beweglich genug, auch uns neu zu orientieren?
31. Oktober 2010, 31. Sonntag i. Jkr.
Lk 19,1-10
Predigt zum Ausdrucken
Die Römer hatten zur Zeit Jesu in den von ihnen besetzten Gebieten ein sehr komfortables System, um zu genügend Geld zu kommen. Sie verlangten Zölle. Tatsächlich war das so eine Mischung aus Steuern und Wegabgaben. Besonders einträglich war das an Verkehrsknotenpunkten, wie eben Jericho. Aber die Römer machten sich damit nicht selbst die Hände schmutzig. Sie setzten nur fest, wie viel sie selber bekommen wollten. Eintreiber waren Juden, eben die Zöllner. Und die wiederum unterstanden den Zollpächtern, die die Verträge mit den Römern machten. Die Zöllner bereicherten sich, in dem sie mehr verlangten, als sie dem Zollpächter weitergaben. Und die Zollpächter bereicherten sich, indem sie von den Zöllnern mehr verlangten, als sie den Römern weitergaben. Einfach perfekt – die Römer bekamen, was sie wollten, und die Zöllner und die Zollpächter nahmen, was sie wollten.
Es verwundert nicht, dass diese Leute verachtet waren. Sie waren Sündern, Heiden und Dirnen gleichgestellt.
Und dann ist da Zachäus. Er ist klein von Statur wird uns berichtet. Mag sein, dass das das seine Berufswahl beeinflußt hat, dass er groß, mächtig werden will. Und so wird er Zöllner, oberster Zollpächter gar in der reichen Stadt Jericho. Aber all sein Geld hilft ihm nichts. Er bleibt ein kurzer, ein zu kurz gekommener Mensch, der übersehen wird, verspottet, dem die Sicht verstellt wird. So wie auch an dem Tag, an dem der berühmte Jesus nach Jericho kommt. Eine schöne Gelegenheit für die Bürger, dem verhassten Blutsauger zu zeigen, dass Geld nicht alles ist. Aber Zachäus weiß sich zu helfen. Er läuft voraus und klettert auf einen Baum. Vielleicht haben ihn die Leute deshalb verlacht, aber ihm war wichtig, diesen Jesus zu sehen, von dem so viele Wunderdinge erzählt werden.
Ich denke, es war reine Neugierde.
Genau so, wie bei uns. Da kommt dieser Tage ein berühmtes Schauspielerpaar in eine so genannte Shoppingcity, die Zeitungen schreiben tagelang darüber und dann drängen sich die Menschen, nur um einen Blick auf die Begehrten zu erhaschen. Oder gar ein Autogramm zu ergattern.
Hier, im Evangelium, geht es aber ganz anders weiter. Plötzlich ist nicht mehr Zachäus der, der den Jesus sehen will. Sondern Jesus will den Zachäus sehen, er will einkehren bei ihm, bei ihm Gast sein. Der berühmte, angesehene Rabbi bei einem solchen Sünder, einem unerträglich reichen noch dazu.
Jesus ist es, der sucht, der auf die Menschen zugeht, der die Initiative ergreift. Und er denkt nicht in den Kategorien anständig oder unanständig, arm oder reich, beliebt oder unbeliebt, geachtet oder missachtet, integriert oder Außenseiter.
Jesus geht auf den Menschen zu, egal, was er ist und wie er ist. Allen, selbst so einem wie Zachäus, soll die Nähe Gottes begegnen. Das Murren seiner Anhänger und das Murren der Anständigen, der Gesetzestreuen, der Sittsamen ist ihm dabei völlig egal.
Wir erfahren nicht, was Jesus mit dem Zachäus gesprochen hat. Jedenfalls hat die Begegnung diesen Menschen zutiefst geändert. Jesus hat nicht das Unrecht, das Zachäus auf sich geladen hat, gesehen und nicht den Reichtum, sondern er hat die Armut gesehen, die Armut eines einsamen Mannes, und dem ist er nachgegangen.
Wir sind nicht Zachäus, und um Jesus zu begegnen müssen wir nicht so werden. Jedem von uns ist zugesagt, dass Jesus zu ihm kommen wird. So gibt es im kirchlichen Leben viele Momente, wo wir erwarten dürfen, dass er dabei ist. Es gibt Wendepunkte in unserem Leben, wo sich unser Verhältnis zu Gott entscheidend ändert. Oder es gibt prägende Begegnungen mit anderen Menschen, bei denen Jesus mitwirkt.
Wie auch immer, Jesus geht zu jedem seinen ganz eigenen Weg – auf der Hauptstraße von Jericho, oder am Heimstättenring, auf der Billrothstraße oder in der Otto Löwi-Siedlung.