Zurück zur Schöpfung

Dann wohnt der Wolf beim Lamm,der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen,ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist. (Jes 11, 6-9)Zweiter Adventsonntag

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

gerade in Österreich gehört das Thema des Umweltschutzes zu den selbstverständlichen in der Gesellschaft und in der Politik. Trotzdem wird es meiner Meinung nach zu viel aus der Szenerie der Bedrohung behandelt: Tut etwas gegen das Autofahren, gegen private und industrielle Verschmutzung, sonst geht die Welt unter! Auch heute wollen wir darüber nachdenken aber ich werde versuchen, Ihnen einen anderen Zugang zu der Problematik als den gesellschaftlich verbreiteten zu eröffnen. „Zurück zur Krippe – zurück zur Natur“ also zurück zu dem, wie sich Gott den Umgang mit der Schöpfung vorgestellt hatte.

Sie kennen Christoph Kolumbus. Er gehört zu den großen Gestalten der Menschheitsgeschichte. In seiner Person vereint er viele faszinierende Eigenschaften: er war gebildet in Latein, Mathematik, Kartografie und Kosmografie und hatte einen Abenteuergeist, so dass er bereits seit seinem 14. Lebensjahr immer wieder auf dem Meer unterwegs war. Da er in Lissabon lebte, und Portugal damals als Zentrum der Seefahrten galt, war er daran beteiligt, einen möglichst sicheren Seeweg nach Indien und China zu finden. Die beiden Länder, die zu den wichtigsten Seide- und Gewürzlieferanten gehörten, waren von Europa durch das osmanische Reich getrennt, das bei Lieferungen immer wieder Probleme bereitete. Kolumbus nahm sich vor, eine neue Route auszuprobieren – aber nicht aus karitativen Motiven, sondern er wollte dadurch profitieren, er wollte Ruhm und Reichtum erlangen. Nach langen Verhandlungen mit dem Königshaus und Vorbereitungen machte er sich auf den Weg und kam bekannter weise nicht nach Indien sondern nach Amerika. Und da stießen zwei Zugänge zur Natur aufeinander, die bis heute eine entscheidende Rolle spielen. Kolumbus, und vor allem seine Nachfolger, betrachteten die Natur, die Bodenschätze und auch die dort lebende Menschen als Ware, mit der man ein Geschäft machen konnte. Die Einheimischen dort – die Ureinwohner Amerikas – betrachteten sich selbst und alles was sie umgab, als einen Teil eines Ganzen, als einen Lebensraum für jedes Wesen.

Käthe Recheis beteiligte sich an einem Buch über die Weisheit der Indianer und fand in der Aussage von Tatanga Mani ihre Haltung, die auch für uns sehr wichtig sein kann: „Für euch Weiße waren wir Wilde … Wenn wir der Sonne, dem Mond oder dem Wind unsere Loblieder sangen, beteten wir in euren Augen Götzen an. Ohne uns zu verstehen und nur weil unsere Art der Anbetung anders war als eure, habt ihr uns als verlorene Seelen verdammt. Wir sahen das große Werk des Großen Geistes in seiner ganzen Schöpfung: in Sonne, Mond, Bäumen, Bergen und Wind. Manchmal traten wir durch das, was er geschaffen hat an ihn heran … Die roten Wilden waren immer enger mit der Natur verbunden als die weißen Wilden. Die Natur ist das Buch jener großen Kraft, die ihr Gott nennt und die wir den Großen Geist nennen“ (Weißt du, dass die Bäume reden, Seite 44).

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

ich glaube nicht, dass der Mensch aus Angst die Erde retten wird. Ich glaube auch nicht, dass der Mensch aus seiner Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen weniger konsumieren und weniger Rohstoffe verbrauchen wird; dass er also sich selbst einschränkt und seine Lebenshaltung verändert. Der einzige Weg zur Rettung der Schöpfung liegt in der Erkenntnis, dass wir uns vom Plan Gottes total entfernt haben. Zurück zur Krippe – wo Esel, Schaf, Frau, Mann und Kind, wo Tier, Mensch und Gott friedlich beieinander liegen. Zurück zur Vision des Propheten Jesaja, in der Kalb und Löwe zusammen weiden, Kind seine Hand in die Höhle der Schlange streckt und man nichts Böses mehr tut und kein Verbrechen begeht.

Nicht Angst verändert die Welt, sondern der Wille, dass sie sich wieder nach dem Plan Gottes dreht, dass sie zum Lebensraum für alle wird. Nicht Angst verändert die Welt, sondern der Glaube, dass sie von Gott gut geschaffen ist und dass alles in ihr einen guten Platz haben soll: der Stein, der Baum, das Tier, der Mensch und auch Gott. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, zu der Ursprungsidee Gottes zurück zu finden und aus ihr unseren Alltag zu gestalten.

Slawomir Dadas

Pfarrer