„Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mir dir.“ (Lk 1,28)
Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der Nikolaus ist ein alter Mann, der den Eltern bei ihren erzieherischen Aufgaben zur Seite steht; der den Schnuller wegnimmt, zum Klavierspielen und zum Brav sein motiviert. Das Christkind ist ein Engel, der einem hübschen jungen Mädchen ähnelt. Es kann fliegen und am Heiligen Abend, an dem es um das gute Essen geht, zumindest ein paar Wünsche erfüllen. Weihnachten ist ein Fest des grünen, festlich geschmückten Baumes und natürlich der Gutscheine, damit niemand verärgert wird, wenn er nicht das Richtige geschenkt bekommt. Ja, diese und viele andere Begriffe haben in den letzten Jahren eine starke Entwertung und Kommerzialisierung erfahren – ihr Inhalt hat sich zum Teil wesentlich verändert. Gerade vor den großen Feiertagen wird uns das deutlich bewusst.
Es ist also nicht verwunderlich, dass auch das heutige Fest eine gewisse Krise erlebt und statt gefeiert zu werden, von vielen auf vorweihnachtliches Einkaufen reduziert wird. Der Inhalt dieses Tages ist so wenig greifbar, dass es nicht einmal durch etwas anderes ersetzt werden kann. Denn heute geht es um den Begriff „Erlösung“. Dieses Wort wird außerhalb der Kirche fast nur noch im Zusammenhang mit dem Tod nach einer langen und schweren Krankheit verwendet. Erlöst ist in der Umgangssprache jemand, der stirbt und dadurch nicht mehr leidet. Aber für uns gläubige Menschen ist der Tod grundsätzlich noch keine Erlösung. Er ist die Begegnung mit der Liebe Gottes, die uns dem Tod nicht überlassen will, sondern uns zu einem neuen, vollendeten Leben ruft. Natürlich hat der Tod mit der Erlösung etwas zu tun. Im Tod wird der Mensch mit zwei besonderen Wirklichkeiten konfrontiert: mit der Freiheit von jeder irdischen Bindung und mit dem Ende der menschlichen Machbarkeit. Im Tod wird so stark spürbar wie sonst nirgends, dass der Mensch dem großen Unbekannten ausgeliefert ist und seine Hilfe braucht. Der Mensch kann sich selbst nicht erlösen und benötigt einen, der größer ist als er.
Und das feiern wird gerade heute. Wir feiern, dass Gott in das menschliche Leben eintritt, um uns mit seiner Erlösung zu beschenken. Wir brauchen die Kraft von oben, um der zerrissenen, egoistischen Welt nicht zu verfallen. Wir brauchen die Kraft des Heiligen und des Ewigen, damit wir gegen die Sünde ankämpfen und uns für das endgültige Leben mit ihm entscheiden können.
Wir feiern also, weil wir immer wieder erfahren, dass Gott mit uns geht, für uns da ist und uns erlösen will. Immer wieder spüren wir, dass er uns frei macht und uns nicht alleine lässt, wenn wir an die menschlichen Grenzen stoßen.
Wir feiern auch Maria, die Mutter Jesu. Ihr wurde vom Anfang an ihres Daseins die Kraft von oben in einem solchen Ausmaß geschenkt, dass sie nie an Gott gezweifelt hat und nie den Verlockungen der Welt erlegen ist. Dadurch war sie von ihren Anbeginn an die Erlöste. Sie lebte so auf Gott hin ausgerichtet, dass keine irdische Bindung zwischen ihr und ihm stand. Sie glaubte nie an die menschliche Machbarkeit des Lebens. Sie ließ sich beschenken mit dem, was er ihr geben wollte, auch wenn sie nicht immer alles verstanden hatte.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Erlösung beginnt nicht im Tod, sondern dort, wo der Menschen „ja“ zu Gott sagt, wo er sich auf den göttlichen Heilswillen einlässt. Das heutige Fest macht uns bewusst, dass die Erlösung zum Leben gehört und im Leben erfahrbar ist. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, das Wirken Gottes im eigenen Leben zu entdecken. Ich wünsche uns, dass wir bereits jetzt zumindest bruchstückhaft die Früchte der Erlösung erfahren können: die Freiheit von der Sünde und die Bindung unseres Lebens an Gott, der uns mit seinem Heil beschenken will.
Slawomi Dadas
Pfarrer