Was muss ich in den Tod mit hineinnehmen?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

ich weiß nicht, ob Sie sich bereits darüber Gedanken gemacht haben, wie Sie nach Ihrem Tod im Sarg ausschauen wollen. Wenn nicht, dann ist es höchste Zeit dafür, denn es gibt einen ganzen Geschäftszweig, der sich damit beschäftigt und nur darauf wartet, Ihre Wünsche zu hören und dann zu erfüllen. Bereits jetzt werden die Leichen massiert, gepudert und geschminkt, ihre Haare gewaschen, frisiert und geföhnt und es wird ihnen – ich zitiere – „der Look der Schlafenden“ verpasst. (Spiegel online – Berufe in echt)

Diese Haltung steht für mich zumindest ein wenig in der Tradition der Grabbeigaben und der Gräberausstattung aus der Geschichte. Es gibt historische Funde, die belegen, dass den Toten bereits seit der Steinzeit Waffen, Töpfereien und Schmuck beigelegt wurden. Später, je nach Kulturkreis, drehte sich bei der Bestattung einiges um Kleider, Arbeitswerkzeuge oder lokale Souvenirs. Die griechischen Jenseitsvorstellungen, bei denen der düstere Fährmann Charon einen Obolus verlangte, um die Verstorbenen über den Totenfluss zu bringen, führten zur Beigabe von Münzen, die eine gute Ankunft im Totenreich des Hades garantieren sollen.

So sind auch heute die Fragen berechtigt: Wie wollen Sie im Sarg ausschauen und womit sollen Sie ausgestattet sein? Lassen Sie sich schön machen, um bei Gott ästhetisch anzukommen? Wollen Sie einige „Insignien“ Ihrer Herkunft, Ihres Berufes oder Ihres Wohlstandes mitnehmen, damit er Sie nicht verwechselt und gleich richtig einordnen kann? Was ist wichtig und wesentlich mitzuhaben, wenn uns der Tod in das große Unbekannte wirft?

Als gläubige Christen schauen wir auf Jesus, der uns nicht nur ein Beispiel gab, wie wir leben sollten, sondern auch ein Beispiel, wie man stirbt, um bei Gott anzukommen.

Zuerst soll gesagt werden, dass wir keine Polster brauchen, sondern einen guten Abschied von Menschen, die uns wichtig waren. Für Jesus waren das die Jünger, die Mutter, die Frauen die ihm nachgefolgt sind. Nicht klammern, nicht festhalten wollen, sondern loslassen, mit dem Blick auf das verheißene Wiedersehen.

Weiters brauchen wir die Trennung von allem Materiellen, was im Bild „Jesus wird der Kleider beraubt“ deutlich zum Ausdruck kommt. Denn bei Gott zählt nur das Herz, das Innere eines Menschen und nicht, was er erarbeitet oder erspart hatte.

Und endlich brauchen wir die Bereitschaft zur Versöhnung, auch mit denen, die an uns Unrecht getan haben, wie Jesus beim Hinschauen zum Verräter Petrus oder am Kreuz, als er den Soldaten vergibt.

Gott will Menschen, die mit anderen und für andere gelebt haben. Er will Menschen, an denen Not und Freud nicht spurlos vorübergingen. Gerade in der Begegnung mit Gott geht es nicht darum, die Lachfalten und die Tränensäcke weg zu pudern. Wenn Sie im Sarg gut liegen wollen, dann nehmen Sie alle Ihre Wunden und alle Ihre bruchstückhaften Freuden mit, damit die ersten geheilt und die zweiten vollendet werden. Also, sollten Sie erst ein Testament schreiben müssen, dann verordnen Sie dort drinnen, dass Sie nur so viel Makeup bekommen, dass man an Ihnen noch die Spuren Ihres Lebens erkennen kann.

Gott geht es nicht um Ästhetik, um Herkunft oder um eine gesellschaftliche Position. Gott geht es um ein unvollendetes, aber auf das Gute ausgerichtete Leben. Dazu gehört der Glaube, dass wir kein Zufall im Universum mit einem kurzen Auftritt auf der Weltbühne sind, sondern von Gott gewollte, zur Vollendung berufene Menschen.

Dazu gehört die Hoffnung, dass die in den Beziehungen verschenkte und erfahrene Liebe und Freundschaft sich im Kosmos nicht auflösen, sondern auch über den Tod hinaus weitergelebt und erfahren werden können.

Dazu gehört auch das Vertrauen, dass die Wunden und Verletzungen nicht in Vergessenheit geraten und nicht verschwiegen, sondern versöhnt werden – und auch wie Jesu Wundmale nicht mehr weh tun.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Gott möchte, dass wir auch im Tod mit unseren Freuden und Mühen echt und erkennbar sind, weil er uns und unsere Geschichte zur Vollendung führen will. Ich wünsche uns allen, dass in diesen Ostertagen unser Glaube an die Begegnung mit dem Herrn des Lebens gestärkt wird. Ich wünsche uns, dass uns die Auferstehung Jesu verändert und zu Menschen macht, die den Alltag so gestalten, dass sie einst ungeschminkt und sehr gut im Sarg liegen können, weil sie daran glauben, dass sie zur Auferstehung und zum ewigen Leben im Reich des Friedens berufen sind.

Slawomir Dadas

Pfarrer