Privatsphäre gegen Zeugnis

… haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen. Dann werden die, die euch beschimpfen, weil ihr in (der Gemeinschaft mit) Christus ein rechtschaffenes Leben führt, sich wegen ihrer Verleumdungen schämen müssen. Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse. (1 Petr 3,15-17)

Sechster Sonntag der Osterzeit

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Privatsphäre des Einzelnen gehört zu den Heiligtümern unserer Zeit. Trotzdem wird mit ihr sehr unterschiedlich umgegangen. Viele Menschen, die um jeden Preis berühmt werden wollen, verzichten auf sie und scheuen sich nicht, sogar jeden Schwachsinn ihres Lebens zur Schau zu stellen. Auf der anderen Seite schützen sich viele Personen durch Bodyguards, durch Verkleidungen im Alltag, durch Geheimhaltung ihrer Urlaubs- und Erholungsorte. Sie verstecken ihre Privatsphäre vor der Öffentlichkeit, vor den neugierigen Blicken der Medien und der Medienkonsumenten.

Auch wir gehen sehr unterschiedlich mit ihr um. Bei solchen Menschen, bei denen wir das Gefühl haben gut aufgehoben zu sein, sind wir bereit einiges mehr von uns Preis zu geben. Bei anderen wiederum sind wir nicht bereit uns zu öffnen. Ja, wir empfinden einige Fragen sogar als zu persönlich, als unangenehm und unangebracht, wenn sie von jemandem Fremden gestellt werden.

Heute wurden wir aber in der zweiten Lesung dazu aufgerufen, jedem in unser Leben Einblick zu gewähren. Es geht dabei natürlich nicht um irgendwelche Intimitäten und Peinlichkeiten, um die Neugierde einiger Menschen zu befriedigen. Es geht auch nicht um das Zur-Schau-Stellen der eigenen Lebensgewohnheiten. Es geht aber um den Einblick in das eigene Glaubensleben. Es geht um die Hoffnung, die uns erfüllt und zu einem besonderen christlichen Leben bewegt. Im Brief des Apostels Petrus wurden wir dazu aufgerufen, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand uns danach fragt. Ist es Ihnen schon einmal passiert, dass jemand zu Ihnen kam und fragte: Warum lebst du so hoffnungsvoll? Woher nimmst du die Kraft, in schwierigen Situationen nicht zu verzweifeln, sondern vertrauensvoll nach Vorne zu blicken? Wäre das schon zu viel Eingriff in die Privatsphäre, wenn jemand danach fragen würde?

Als Christen stehen wir ständig zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem Aufruf zum Zeugnis, das immer ein wenig Einblick ins Private beinhaltet. Wir stehen zwischen dem Recht, nicht alles von uns Preis geben zu müssen und der christlichen Pflicht, niemandem die Botschaft und ihre Auswirkung vorzuenthalten.

Diese Spannung zu leben ist nur mit und im Geist Gottes möglich. Ihn haben wir bereits in der Taufe und dann in der Firmung empfangen. Er gibt uns Kraft zu einer Lebensgestaltung, die positiv auffällt, die Menschen zum Nachdenken bringt und vielleicht zu solchen Fragen wie: „Was ist die Quelle deiner Hoffnung?“, „Wer ist der Motor deines Tuns und was ist das Ziel deines Strebens?“ Wenn wir aus dem Geist leben, den wir durch Christus empfangen haben, werden wir für viele interessant. Wir werden dann zu Menschen, deren Lebensweise erstrebenswert ist, die manchmal unruhig macht, die aber Zuversicht und Freude vermittelt.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Privatsphäre kann zu den Heiligtümern unserer Zeit gehören. Sie darf und soll nach eigenem Ermessen geschützt werden. Den Einblick in das eigene Glaubensleben zu gewähren, gehört aber zu unserer christlichen Pflicht. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, unser Leben in dieser Spannung gut zu gestalten. Besonders wünsche ich uns aber, dass man an unserem Leben deutlich erkennen kann, dass wir von der Hoffnung erfüllt sind, die uns in allen Nöten durchträgt, weil sie aus Gott kommt und uns mit der Kraft des Geistes verbindet.

Slawomir Dadas

Pfarrer