Dem Himmel nahe

Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn,und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. (Lk 1, 46-52)

Mariä Aufnahme in den Himmel

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

für viele Menschen unserer Zeit ist der Himmel dort, wo die individuellen Träume Realität werden und sich die eigenen Wünsche nach Belieben erfüllen lassen. So ist es nicht verwunderlich, dass einige im Reichtum den Himmel sehen. Sie meinen, wer in den teuersten Häusern wohnen und auf den schönsten Inseln der Welt Urlaub machen kann, ist dem Himmel bereits ganz nahe. Wie jemand an das Geld kommt, um sich solche Dinge leisten zu können, wird heutzutage nicht mehr gefragt; ob Spekulationen an der Börse, Korruption oder Geschäfte mit der Not anderer Menschen im Spiel waren; das alles scheint unwichtig zu sein. Wer den Olymp erklommen hat, sollte die Höhe genießen können.

Dem einfachen Menschen wurde anscheinend auch eingeredet, dass er am Himmel beteiligt ist, wenn er sich zumindest einige seiner materiellen Wünsche erfüllen kann und einen großen Fernseher, ein Auto und ein wenig Geld zum Fortgehen besitzt. Mehr braucht er zum Leben nicht.

Aber ist der Himmel die Erfüllung von individuellen Träumen und Wünschen? Ist der Himmel Geld, ergänzt durch Ruhm und Macht? Ist er nur einigen wenigen, ja den besonders Schlauen vorbehalten? Und sind die, die dagegen ankämpfen, dass sich eine kleine Gruppe alles leistet, während andere in Armut leben, Gegner des Himmels?

Heute feiern wir die Aufnahme Mariens in den Himmel und wagen einen Blick in diese Wirklichkeit hinein, die uns allen verheißen ist. Mir geht es dabei nicht darum, darüber nachzudenken, was man im religiösen Sinn leisten muss, um dorthin zu gelangen, sondern darum, sich bewusst zu machen, was uns dort erwartet. Denn ich glaube, dass gerade in den letzten Jahren viele Menschen den Bezug zur Verheißung Gottes verloren haben und den Glauben und die Kirche nur noch in soziokulturellen Dimensionen betrachten.

Was hat also Maria erfahren, was ist der Himmel Gottes?

Der Himmel ist zuerst die Vollendung von allem Schönen und Guten, was hier auf der Erde nur bruchstückhaft erlebt wird. Unser Gott ist der Gott der vollkommenen Liebe, der vollkommenen Güte. Bei ihm, im Himmel wird vollendet, was hier als „es ist ganz gut“ oder „es tut mir gut“, erfahren wird. Dort wird das Bedürfnis nach Liebe, nach Angenommen-sein nicht durch Ersatzfreuden gestillt, sondern durch die Beziehung mit dem, der ohne Hintergedanken annimmt und liebt. Bei Gott, im Himmel wird es jeder und jedem nur noch sehr gut und ausgezeichnet gehen.

Damit ist auch die vollkommene Versöhnung verbunden. Oft erleben wir Spannungen und Brüche. Oft leiden wird darunter, weil wir nicht imstande sind alle und alles zur Versöhnung zu führen und zu heilen. Im Himmel, bei Gott gibt es keine Spaltung und keine Trennung. Bei ihm, im Himmel gibt es keinen der nicht bereit wäre, zu dem anderen die Hand auszustrecken, um ihm den wahren Frieden zu wünschen. Es gibt auch keinen, der diesen Frieden gefährdet.

Bei Gott im Himmel gibt es die perfekte Gemeinschaft, also Menschen, die die Sätze nicht mit ICH sondern mit WIR anfangen. Dort geht es um den Wohlstand miteinander, um das Gefühl der Solidarität, also der Sorge um jede und jeden einzelnen. Niemand wird dort geringer geschätzt, weil er anders ist. Alle sind die Kinder desselben Vaters und gehören zu derselben Familie.

Und endlich ist der Himmel bei Gott die Erfüllung der Sehnsucht nach einem Leben ohne Angst und ohne Trauer. Die Erfahrung der Krankheit und des Todes bringen auch uns immer wieder durcheinander. Sie machen uns unsere eigene Vergänglichkeit bewusst. Bei Gott, im Himmel gibt es keinen Tod, weil er durch Christi Auferstehung besiegt wurde. Bei Gott gibt es nur noch das pure Leben, das nicht endet.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

es ist schön, über den Himmel nachzudenken. Es ist schön zu wissen, dass er uns allen verheißen ist und dass es Menschen wie Maria gibt, die ihn bereits erfahren dürfen. Ich wünsche uns allen, dass uns das heutige Fest stärkt auf dem Weg zu Gott. Ich wünsche uns, dass es uns Mut macht, bereits jetzt auf der Erde auf solche Werte zu setzen, die mit dem Himmel zusammenhängen: auf die Liebe, auf die Vergebung und auf die Gemeinschaft, die den Vorgeschmack des Himmels bedeuten.

Slawomir Dadas

Pfarrer