„Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.“ Röm (14,7-9)
24. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
stellen Sie sich vor, dass wir eine Umfrage starten, um zu erfahren, was den Menschen unserer Stadt besonders wichtig ist, wofür sie leben. Manche der Antworten könnte man sich selbst ausdenken, denn wir kennen einige Zeitgenossen, die uns ähnlich sind und die die gleichen Werte und Prioritäten wie wir haben. Auf der anderen Seite gäbe es sicher auch Äußerungen, die uns verwundern würden, denn wir kennen auch Menschen, deren Lebensstil und deren Werte weit entfernt von den unseren liegen.
Aber fragen Sie sich jetzt selbst: Wofür lebe ich? Für die Familie, für die Kinder und Enkelkinder, für den kranken Ehepartner, oder die alte Mutter, für ein soziales Projekt?
Wofür leben Ihre Nachbarn? Für den Garten, für zwei Wochen Urlaub auf Mallorca, für ihre Katzen und Hunde, für den Job, für ein wenig Ansehen und Anerkennung in der Gesellschaft?
Wofür leben wir Menschen und wie prägt und verändert uns die Entscheidung, sich gerade für das eine, und nicht für das andere einzusetzen. Was macht mit uns der Entschluss, das eigene Leben auf diese und nicht auf die anderen Werte auszurichten?
Für uns Christen sollte die Botschaft Jesu der Motor unseres Handelns sein. Vielleicht sind wir nur selten imstande, wie Paulus zu sagen: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn“. Vielleicht gehört Gott nur selten zu den bewusst gelebten Prioritäten unseres Alltags. Es wäre aber besonders wichtig, dass sein Geist in unserer Grundeinstellung spürbar wäre. Wesentlich dazu gehört die vergebende Liebe, auf die wir hoffen und die durch uns erfahrbar sein sollte. Denn gerade sie besiegt den Zorn und den Groll und schafft den Frieden. Die vergebende Liebe gibt der Rache keinen Raum und ermöglicht, dass die Heilung dort passiert, wo bisher Verletzungen und Wunden waren. Sie bringt Menschen zusammen, und bewirkt, dass Menschen auch Gott näher kommt. Denn jedem, der dem anderen in Liebe vergibt, ist die vergebende Liebe Gottes versprochen. Jeder, der dem anderen in Barmherzigkeit begegnet, kann sich auf die Barmherzigkeit Gottes freuen.
Kehren wir jetzt zu den Anfangsfragen zurück. Wofür leben wir? Gehört die vergebende Liebe Gottes zu den Werten, die unser Leben bestimmen? Ist sie, die den Frieden schafft, die Barrieren überwindet, die nicht immer genau aufrechnet, sondern als erste die Hand ausstreckt, die treibende Kraft unseres Tuns?
Wenn ja, dann habe ich die Botschaft Jesu verstanden. Dann lebe ich nicht mir selbst und werde nicht mir selbst sterben. Dann lebe ich dem Herrn, dessen innigster Wunsch war, dass Menschen zueinander und zu Gott finden. Dann gehöre ich dem Herrn, der uns zu seiner Familie macht.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Gott in der Welt zu leben bedeutet, dem Glauben einen wichtigen Raum im Alltag zu geben. Gott in der Welt zu leben heißt auch, das eigene Tun immer im Zusammenhang mit der Erlösung – also mit dem Tod und mit der endgültigen Vollendung – zu sehen. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, die Botschaft Jesu in unser Leben zu integrieren. Ich wünsche uns, dass man bei uns ohne zu fragen erkennen kann, wofür wir leben und dass man ohne zu fragen merkt, dass Gott bei unseren wichtigsten Werten dabei ist.
Slawomir Dadas
Pfarrer