„Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt. Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan!“ Lk 13, 24-27)
Predigt zum Nationalfeiertag
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
56 Jahre sind schon vergangen, seitdem die Menschen an der Donau den Ruf des Bundesministers Leopold Figl hörten: „Österreich ist frei!“. Der heutige Feiertag, der erst später im Zusammenhang mit der Neutralitätserklärung eingeführt wurde, knüpft geschichtlich an die Befreiung Österreichs an. Wenn man sich die Texte zur Unterzeichnung des Staatsvertrags durchliest, dann merkt man eine starke Emotion dahinter. Dort wird vom Jubel des Volkes, von der Dankbarkeit an den Allmächtigen und von dem festen Vorsatz, die neuen Zeiten gut zu gestalten gesprochen. Dort wird aufgefordert, dass die Glocken von ganz Österreich, vom Bodensee bis zum Neusiedler See, von der Thaya bis zu den Karawanken läuten. – Heute ist die Begeisterung abgekühlt: nur wenige Glocken läuten, vom Dank an den Allmächtigen werden Sie heute im Radio oder im Fernsehen wahrscheinlich wenig hören.
Die Freiheit hat in unserer Zeit eine merkwürdige Gestalt angenommen. Sie wird von einigen ausschließlich zur Selbstbereicherung und zur Selbstabsicherung genutzt. Die Moral und die Mentalität der Politik der ersten Stunden, in der alle zusammen gestanden sind, um allen einen entsprechenden Wohlstand zu sichern, ist gesunken. Ja manchmal hat man das Gefühl, dass die Freiheit nicht für die Allgemeinheit da ist, sondern für eine kleine Gruppe der Einflussreichen, um deren Rechte und Reichtümer zu sichern. Ist das normal, sodass man dagegen nichts tun kann? Muss man dabei tatenlos zuschauen?
Sicher nicht. Es ist notwendig, die wahre Freiheit, die im Dienst des Guten steht, zu sichern. Es ist notwendig, für die wahre Freiheit einzutreten, für die Freiheit, die Räume schafft, damit die Menschen sich entwickeln und im Frieden leben können, damit die Güter der Erde gerecht verteilt werden und niemand hungern und dürsten muss – weder nach Liebe und Zuwendung noch nach Brot und Wasser.
Es ist aber auch notwendig, gegen die Scheinfreiheit anzukämpfen. Denn die Scheinfreiheit stützt den Egoismus, entfernt die Menschen von einander, zerstört das soziale Gefüge. Die Scheinfreiheit erlaubt, auf Kosten der anderen zu leben und die anderen zu benutzen.
Und hier sehe ich eine Parallele zu dem heutigen Evangelium. Denn Jesus spricht von Menschen, die sich vorgenommen haben, ihren ewigen Wohlstand zu sichern und beim Mahl der Freude im Reich Gottes anzukommen. Sie glauben ihr Ziel erreichen zu können, wenn sie ein Lippenbekenntnis ablegen und sagen können: Den kenne ich doch von irgendwo. Aber die Antwort Jesu ist klar und hart: „Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan“. Jesus ist hier eindeutig: Jeder, der die Freiheit missbraucht und in der Freiheit unrecht tut, schadet der Gesamtheit und auch sich selbst.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Österreich ist frei. Österreich ist ein Boden, auf dem das Gute wachsen und reifen kann. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, für die wahre Freiheit einzutreten, damit alle am Wohlstand und am Frieden Anteil erhalten. Ich wünsche uns aber besonders, dass wir unser Leben in Freiheit auf Gott ausrichten und daraus leben. Dann können wir gelassen ihm entgegengehen und an seine Tür anklopfen. Dann wird er am Ende unserer Tage zu uns sagen: kommt herein und nehmt Platz am Tisch im Reich Gottes.
Slawomir Dadas
Pfarrer