Blöd oder G’scheit?

Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus. Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht. Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ Mt 25, 1-13

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Sie kennen die schnellen Sprüche wie „Du bist blöd“ oder „Er ist deppert“. Diese werden oft in verschiedenen Lebenslagen ohne nachzudenken ausgesprochen. Sie meinen in der Regel nicht den geistigen Zustand eines Menschen, sondern beziehen sich auf einzelne Handlungen, die in den Augen des Betrachters nicht in Ordnung und nicht rational sind. Oft sind sie auch mit Konflikten und Spannungen verbunden oder auch mit vertanen Chancen.

Im Gegensatz dazu stehen die Anerkennungssätze: „Du bist g’scheit.“ oder „Das ist klug.“, die wiederum einzelne Tätigkeiten als besonders gelungen hervorheben. Da die heutigen Lesungen von der Weisheit und von der Torheit sprechen, muss ich Sie jetzt fragen: Würden Sie sich in Ihrem Handeln öfter als „g’scheit“ als „blöd“ bezeichnen? Sie müssen nicht laut antworten. Ich möchte aber das Spiel auf die Spitze treiben und Sie fragen: Glauben Sie, dass Ihre Banknachbarin oder Ihr Banknachbar eher klug oder eher töricht ist? Auch das müssen Sie nicht laut bekunden, denn die Antwort haben wir zum Teil in den heutigen Lesungen gehört – und sie ist in dem biblischen Sinn von „klug“ oder „töricht“ verborgen.

Im Alten Testament werden die Weisheit und die Torheit an den praktischen Entscheidungen des Lebens erkannt. Um als Weise bezeichnet zu werden, muss man das eigene Leben als Zusammenspiel dreier Bereiche sehen: der Überlieferung – also der Weisheiten der Alten –, der Erziehung – also der Vermittlung der Werte –, und der eigenen Erfahrung, die wiederum für die ersten beiden eine Art Aktualisierung in meiner Zeit bedeutet. Wer sein Leben danach geordnet hat, ist klug. Ein Tor ist nach dieser Auffassung jemand, der die Weisheiten der Alten ignoriert, der sich der Erziehung widersetzt und aus den eigenen Erfahrungen nichts lernt.

Bei Jesus und im Neuen Testament wird der Gedanke weitergeführt und ausgebaut. Auch hier ist die Weisheit an praktischen Entscheidungen erkennbar, wie wir im Evangelium über die zur Hochzeit geladenen Frauen gehört haben. Trotzdem scheint für Jesus etwas anderes wichtiger zu sein, als dass jemand in der momentanen Situation das Optimale und Perfekte gewählt hat.

Für ihn hängt die Weisheit mit der Ausrichtung des Lebens auf die letzten Dinge zusammen. Klug ist für ihn jemand, der das Leben auch mit dem Tod und mit dem, der den Tod besiegen kann, annimmt. Weise ist für Jesus jemand, in dessen Handlungen erkennbar ist, dass er auf die endgültige Begegnung mit Gott vorbereitet ist. Weise ist jemand, der sich von scheinbaren Niederlagen und Enttäuschungen nicht verunsichern lässt, sondern an Gott festhält; jemand der in der Torheit des Evangeliums und des Kreuzes die Weisheit Gottes sieht.

Im Gegensatz dazu stehen die Törichten, also Menschen, die sich von der „Weisheit“ dieser Welt verführen lassen. Sie glauben, hier und ohne Gott das Glück sich selbst schmieden zu können. Sie laufen allem nach, was kurzfristige Erfolge und Zufriedenheit garantieren sollte. Sie sind töricht, weil sie auf das Endliche und Vergängliche gesetzt haben. Sie sind töricht, weil sie mit dem Ewigen nicht rechnen. Sie lassen sich von Menschenwerk blenden und ergeben sich selbst in die Hände derer, die mit dem Tod enden.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Sie selbst und Ihre Banknachbarin und Ihr Banknachbar sind Weise; sonst wären Sie nicht hier. Sie sind weise, will Sie gerade in unserer Zeit gegen die Trends in der Gesellschaft auf Gott und auf das Unvergängliche setzen. Sie sind weise, weil Sie weder von Banken noch von Wirtschaftsexperten, die Ihren angehäuften Reichtum retten wollen, Erlösung erwarten, sondern von Gott, der das Leben in Fülle schenken kann.

Wir sind klug und können sicher durch das Leben schreiten, weil wir auf den gesetzt haben, der die Macht hat, die Sünde und den Tod zu besiegen. Wir sind klug, weil wir uns annehmen mit unserer Schwachheit und Vergänglichkeit, die wir Gott zur Vollendung anvertrauen. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, im Alltag nicht immer perfekt zu entscheiden, sondern vor allem gut. Ich wünsche uns, dass wir achtsam leben und dadurch mit Freude der endgültigen Begegnung mit Gott entgegen gehen.

Slawomir Dadas

Pfarrer