Alle Jahre wieder beginnt die Adventzeit und mit ihr entstehen wieder zwei ganz unterschiedliche Gefühle in uns. Wir gehen in eine besinnliche, freudige Zeit, Kerzenschein, Geschenke aussuchen für liebe Menschen. Ein Dauergeruch nach Keksen, Bratäpfeln und Glühwein scheint in der Luft zu liegen.
Auf der anderen Seite wissen wir, dass wir hektische Wochen vor uns haben, mit überfüllten Kaufhäusern und Supermärkten, in denen alle einkaufen, als gäbe es kein Morgen. Mit dem immer wiederkehrenden Streit um die Ladenöffnung am Feiertag, weil die Wirtschaftskrise angeblich erst dann richtig kommt, wenn das Weihnachtsgeschäft nicht floriert.
Das Evangelium weiß weder etwas von Gemütlichkeit und Besinnlichkeit, noch von Hektik und Kaufrausch. Im Evangelium mahnt Jesus zur Wachsamkeit. Und er tut das ganz eindringlich und mehrmals: „Seht euch vor! Bleibt wach! Seid wachsam!“
Wach bleiben, wachsam sein – das erinnert mich noch nach Jahrzehnten mit Grauen an diese öden, endlosen Nächte, in denen ich als so genannter Korporal vom Tag beim Bundesheer die ganze Nacht allein im Barackengang gesessen bin und gegen den Schlaf gekämpft habe. Wach bleiben, nur nicht einschlafen. Nur nicht einschlafen – schon der Gedanke allein macht müde.
Ist hier auch so etwas gemeint?
Ganz sicher nicht. Es geht nicht um Wachbleiben um des Wachbleibens willen, es geht nicht um Schikane.
Das Evangelium erzählt von einem Mann, der auf Reisen geht und seinen Dienerinnen und Dienern für die Zeit seiner Abwesenheit alle Verantwortung, alle Aufgaben überträgt. Der Reisende ist Jesus selbst. Weil er physisch greifbar nicht mehr unter uns ist, hat er jeder und jedem von uns Aufgaben anvertraut, jeweils nach unseren besonderen Fähigkeiten. Wir sollen die Liebe, die er uns geschenkt hat, für unsere Mitmenschen konkret erfahrbar machen. Es geht um die Verwirklichung des Reiches Gottes, es geht darum, dass wir uns für Gerechtigkeit, für Versöhnung, für eine geschwisterliche Gemeinschaft einsetzen.
Und das bedeutet: wachsam zu sein.
Wachsam sein, dass nicht das alltäglichen Getriebe jemanden unter die Räder kommen lässt und klein macht.
Wachsam sein, dass nicht die Botschaft Jesu von den riesigen Werbeplakaten unserer Zeit zugekleistert wird.
Wachsam sein, dass nicht ganz wichtige Werte, die uns Christus hinterlassen hat, mit scheinheiligen Reden der Politiker zugedeckt und unkenntlich werden.
Wachsam sein, dass wir die Beziehungen, die Liebe untereinander nicht im Konsumieren und Produzieren aus den Augen verlieren.
Wachsam sein, dass auf dem Weg zum wirklichen Leben uns nicht grelle Leuchtreklamen oder Werbespots im Fernsehen in die Irre gehen lassen.
Wachsam sein, dass Dankbarkeit und Zufriedenheit nicht im unbedingten Leistungsdenken, in der Sucht nach Karriere und im immer größeren Tempo verloren geht.
Das ist die Botschaft des Evangeliums vom 1. Adventsonntag:
Seien wir wachsam, sehen wir genau hin auf alles, was zu kurz kommt in unserem Leben.
Und sagen wir dann Halt!
Halt! Ich nehme mir jetzt die Zeit, zu überdenken, wie ich lebe.
Halt! Ich nehme mir jetzt die Zeit zu spüren, was mich wirklich glücklich macht.