Dieser Johannes war eindeutig ein sehr interessanter Mann. Er trat etwa zur gleichen Zeit auf wie Jesus und hatte enormen Zulauf. Es gab sogar ziemliche Konkurrenz zwischen den Anhängern von Johannes und von Jesus – allerdings nur zwischen den Anhängern, nicht zwischen Jesus und Johannes. Johannes sah sich als Wegbereiter für den Messias, als einer, der auf den Messias hinzeigte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und Jesus wiederum zeigte dem Johannes seine Hochachtung, in dem er sich von ihm taufen ließ.
Dabei waren es grundverschiedene Männer. Johannes war ein Asket – er soll in groben Gewändern herum gelaufen sein und sich von Heuschrecken ernährt haben, ein harter Knochen, hart zu sich und hart zu den Menschen.
Jesus wiederum war kein Asket, seine Gegner nannten ihn einen Fresser und Säufer, der sich mit Gesindel herumtreibt. Und im Umgang mit den Menschen strahlte er zuerst Liebe und Herzlichkeit aus.
Johannes hatte den Auftrag, Zeugnis abzulegen für das Licht, Zeugnis abzulegen für Christus, damit alle zum Glauben kommen.
Dieser Auftrag ist letztlich auch uns von Jesus gegeben. Der Missionsauftrag. Nun ist Mission etwas, das in uns durchaus zwiespältige Gefühle hervorrufen kann. Viel Unrecht ist durch Mission geschehen, viel Schaden wurde angerichtet, viel Dummheit war im Spiel. Dabei hat Johannes vorgemacht, wie es sein soll: er geht nicht sehr großzügig mit Informationen um, er drängt sich nicht auf, er vergewaltigt niemanden. Aber er antwortet, wenn er gefragt wird. Genau so sollten wir es halten: antworten, wenn wir gefragt werden, aber nicht lästig fallen, nicht überreden, niemandem unsere Haltung, unsere Überzeugung aufzwingen. So wie Kardinal Josef Cardijn formulierte:
„Rede nur, wenn du gefragt wirst, aber lebe so, dass man dich fragt“.
Und genau das ist der Punkt.
Johannes hat soviel ausgestrahlt von seiner Überzeugung, dass die Leute aufmerksam und neugierig geworden sind auf ihn und dass sie in seinem Leben Sinn für ihr Leben gefunden haben.
Wie ist es da bei uns, wie ist es da bei mir? Ich fürchte, das Strahlen ist nicht sehr ausgeprägt. Dabei haben wir im Innersten doch alle das Wissen, dass der Glaube an Christus, dass Christus unserem Leben Sinn gibt. Wir haben erfahren, dass er uns wirklich frei macht, dass er unser Leben erfüllen und schön machen kann. Aber wir denken zu wenig und zu selten daran. Tatsächlich sind wir mit dem Erkennen und dem Ärger über die vielen kleinen und großen Schwächen, Unvollkommenheiten und Versagen so beschäftigt, dass wir den Blick auf das Ganze, auf das wirklich Wichtige aus den Augen verlieren.
Im Zentrum unseres Lebens muss das Wissen stehen, dass Gott uns liebt, so wie wir sind, mit all unserer Menschlichkeit, mit unseren immer wieder hervorkommenden Fehlern und Schwächen, das Wissen, dass wir durch Christus als freie und befreite Menschen leben dürfen. Das Erleben unserer Sündhaftigkeit soll uns nicht aus der Bahn werfen. Das Streben nach Umkehr, Besserung und Vollkommenheit ist Folge und nicht Voraussetzung unseres Glaubens.
Zuallererst sind wir von Gott angenommen und geliebt, so wie wir eben sind.