Aus dem Gebetsbuch eines Pfarrers

„Und David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her und trug dabei das leinene Efod. So brachten David und das ganze Haus Israel die Lade des Herrn unter Jubelgeschrei und unter dem Klang des Widderhorns hinauf. Als die Lade des Herrn in die Davidstadt kam, schaute Michal, Sauls Tochter, aus dem Fenster, und als sie sah, wie der König David vor dem Herrn hüpfte und tanzte, verachtete sie ihn in ihrem Herzen. (…) Als David zurückkehrte, um seine Familie zu begrüßen, kam ihm Michal, die Tochter Sauls, entgegen und sagte: Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, als er sich vor den Augen der Mägde seiner Untertanen bloßgestellt hat, wie sich nur einer vom Gesindel bloßstellen kann.David erwiderte Michal: Vor dem Herrn, der mich statt deines Vaters und seines ganzen Hauses erwählt hat, um mich zum Fürsten über das Volk des Herrn, über Israel, zu bestellen, vor dem Herrn habe ich getanzt; für ihn will ich mich gern noch geringer machen als diesmal und in meinen eigenen Augen niedrig erscheinen.“ 2 Sam 6, 14-16, 20-22

 

Aus dem Gebetsbuch eines Pfarrers

Lieber Gott, zuerst möchte ich dir für den Herbst 2011 danken – insbesondere dafür, dass ich den Segeltörn überlebte und dadurch zum vollwertigen Mann wurde. Der Törn war für mich eine Gelegenheit, um eine Studie des Seelenzustandes von Männern ohne Aufsicht durchzuführen. Ich musste nicht an allen Prüfungen teilnehmen, was zur Folge hatte, dass ich jeden Tag mit klarem Kopf aufgestanden bin und nie habe erbrechen müssen. Der Entzug des weiblichen Geschlechts am Schiff hatte bei den Teilnehmern keine besonders große Auswirkung gezeigt, fast so, als ob ihnen die zölibatäre Lebensweise gar nicht so fremd wäre. Nach fünf Tagen Abstinenz reichten für die meisten drei Minuten Strandbeobachtung durchs Fernrohr, um wieder voll zufrieden zu sein. Ich hoffe, es wird mir einst gegeben werden, am Frauen Segeltörn als Seelsorger teilzunehmen, um auch ihren seelischen Zustand ohne Aufsicht zu erforschen.

Weiters danke ich dir vom Herzen für die Hilfe bei der Vollendung des Pfarrbüros, was aber mit einer Bitte verbunden ist. Ich bitte dich um eine entsprechende Sekretärin. Ich sage bewusst „eine entsprechende“, weil niemand so richtig weiß, welche Eigenschaften sie haben sollte, um unseren Wünschen zu entsprechen. Die Männer träumen von jemand für das Auge und meinen, ihr Name sollte 90/60/90 sein. Es gibt den Wunsch nach einem Casting, das nicht nur die Vorzüge einer neuen Bürokraft zu Geltung bringen könnte, sondern auch zur Entstehung der echten katholischen Männerbewegung in der Vogelweide führen könnte, anstelle des verweiblichten Kochstammtisches.

Die Frauen meinen wiederum, die neue Sekretärin sollte keine Konkurrenz für sie darstellen und den Pfarrer nicht von der Arbeit ablenken. Am besten wäre dafür eine ältere Person geeignet, ein Ruhepol, eine Mutterseele, die den Pfarrer daran erinnert, wie es früher so gewesen ist, weil er so viele Ideen hat und alles so schnell machen will, dass einige nicht mitkommen.

Lieber Gott, dieses hin und her hat möglicherweise unsere Diakone trotz ihres 20jährigen Dienstes verunsichert. Der eine hat sich die Augen operieren lassen – damit er sich am Anblick der neuen Hausdame mehr erfreuen kann, der zweite hat sich mit drei Bypässen das Herz verstärken lassen, um wie ein Jüngling zu wirken. Nur der dritte bleibt noch ganz cool. Er hat lediglich Schnupfen bekommen.

Herr, schaue wohlwollend im Jahr 2012 auf die Sorgen und Ängste einiger pfarrlichen Gruppierungen.

Ich bitte für die Frauenbewegung. Nach dem Pfarrball fürchtet sich der Vorstand der katholischen Frauenbewegung, dass ihnen eine Konkurrenz unter der Leitung von Slawina, Josefina und Nikola entstehen könnte. Aus dem Grund bitte ich dich: Schenke den Damen die innere Ruhe und die Sicherheit, dass sie gebraucht, gewollt und geliebt sind, auch wenn wir Männer ihnen die Verführung im Paradies noch nicht ganz vergessen haben. Angeblich planen sie jetzt im Pfarrheim eine Beauty- und Catwalkstunde. Ab und zu sollte dabei Heidi Markisa K. persönlich ihre Tipps verraten, zu solchen Themen wie: „Schnell und sicher die Gunst des Pfarrers oder des Kaplans gewinnen“ oder „Die angemessene Hüftbewegung beim liturgischen Einzug zwischen der Sakristei und der Kniebeuge“.

Zum Nachlesen sollte es die Beiträge in der Lokalzeitschrift Perspektiven geben, natürlich ohne Fotos, im intellektuellen Teil zwischen den Seiten zwei und drei.

Ich bitte dich für unsere Kinder und Jugendlichen. Stärke und beschütze die Ministranten, die Jungschar und die Jugend. Schenke ihnen die Weisheit, ihre eigenen Erbstrukturen zu verstehen. Mögen sie nach dem Motto handeln: Neuer Wein in neue Flaschen, damit die alten nicht zerreißen. Schenke ihnen die Einsicht, dass ihr komplizierter Aufbau einen Ursprung in der Erbsünde haben könnte.

Zum Schluss bitte ich dich um einen guten Ausgang der Pfarrgemeinderatswahl. Zwar haben wir bei den Kandidaten einen leichten weiblichen Überhang, aber ich hoffe, dass mir das nicht zum Nachtteil in meiner kirchlichen Karriere wird. Trotzdem möchte ich dich bitten, dass die Kandidatinnen den römischen und bischöflichen Richtlinien entsprechen: also zuerst im kindlichen Gehorsam der Pfarre und dem Pfarrer dienen, nicht sticheln, sondern sich demütig in den Dienst der Gemeinschaft stellen und allen Recht machen können: den Jungen und den Alten, den Frommen und den Alternativen, den Kritikern und den Schweigenden. Sie sollen über viel Zeit verfügen, auch wenn sie nebenbei der Erwerbstätigkeit nachgehen, um für die kommenden Projekte wie Anschaffung der Orgel spenden zu können.

Lieber Gott, das Jahr 2012 bringt noch viele Veränderungen und Überraschungen mit sich, nimm dich der Wichtigsten an und erhöre das reumütige Gebet deines Dieners, damit alles wieder einen guten Ausgang findet.

Slawomir Dadas
Pfarrer

4 Gedanken zu „Aus dem Gebetsbuch eines Pfarrers

  1. Mein Dank für die mögliche Einsichtnahme in das Gebetbuch eines (des) Pfarrers :-)))
    wie WUNDERbar . . . amüsant, brisant, lustvoll, aktuell . . . nach den römischen und bischöflichen Richtlinien hier geBITTEt und geDANKt wird!!!!!
    HERZlichen Gruß, Gertrude

  2. Wenn man Flaschen in den oberen Regalen austauscht, sollte man sich überlegen ob man nicht von Wein- auf Bierflaschen umsteigt, das Getränk des einfachen Volkes!

    lg
    Pepp

  3. Sehr gut! auf die Veränderungen und Überraschungen darf man gespannt sein.
    Ich bin auch dafür, neue Flaschen braucht die Kirche – in vielerlei Hinsicht!

    LG
    Andreas

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