Glaubensgütesiegel

„Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen. Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben.“ (Jes 55,1-11)

 

 

Predigt in der Osternacht:

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

ich weiß nicht, wie bewusst Sie Nahrungsmittel einkaufen und worauf Sie dabei schauen. Gerade wir als Konsumenten sind oft im Dschungel der globalisierten Firmen der Gefahr ausgesetzt, dort zuzugreifen, wo es bei der Produktion weder um Qualität noch um ethische Gesetze geht. Was günstig oder schön verpackt ist, das zieht grundsätzlich an. Wer garantiert aber, dass gerade das, was anzieht auch gut ist? Um den Menschen zu helfen, sich in der Warenmenge zu orientieren, wurden Gütesiegel für Lebensmittel eingeführt. Diese werden an Produzenten vergeben, die beim Einkauf und bei der Herstellung ihrer Produkte auf bestimmte Regeln achten wie z.B. Ökologie, Frische, Sauberkeit, lokale Nähe. Gütesiegel sollen uns Konsumenten helfen, richtige Entscheidungen zu treffen. Es gibt sie bereits für sehr viele Bereiche der Marktwirtschaft: für Gebrauchtwagen, Malereibetriebe, Textilien, Bildungsdienstleistungen usw.

Da es in unserer Zeit auch einen Dschungel von religiösen und pseudoreligiösen Meinungen gibt, in denen viele wie verwirrt herum tappen, wage ich anhand der Texte der Osternacht Kriterien für ein Glaubensgütesiegel aufzustellen. Denn ich behaupte, dass die meisten Menschen Suchende sind, die sich nach der Wahrheit und nach einem Leben in Fülle sehnen. Aber auf sehr viele von ihnen treffen die Worte Jesaja aus der heutigen Liturgie zu, wenn Gott durch den Propheten spricht: „Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen. Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben.“ (Jes 55,1-11)

Ich lade Sie dazu ein, über das Glaubensgütesiegel nachzudenken.

Ein Mensch, der ein solches Siegel erreichen möchte, muss laut Genesis als Teil der Schöpfung leben. Er muss mit dem Werk des Schöpfers gut umgehen und in jeder Frau und jedem Mann das Abbild Gottes sehen. Mit dem Glaubensgütesiegel könnten also nur solche Personen ausgezeichnet werden, die der Natur mit Achtung begegnen, und sie nicht ausschließlich als Profit sehen. Er müsste sich auch aktiv für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt und für die Gleichberechtigung der Menschen einsetzen. Er müsste die Stimme erheben, wenn er Unrecht wahrnimmt, wenn Menschen ausgebeutet und gedemütigt werden, wenn ein paar Wenige auf Kosten Vieler leben.

Ein weiteres Kriterium für ein Glaubensgütesiegel ist im Buch Exodus zu finden und es heißt: die Freiheit. Ein Mensch, der damit ausgezeichnet werden will, darf sich selbst von nichts und niemand versklaven lassen und die anderen nicht versklaven. Er muss frei sein manchmal gegen die Umgebung und gegen die Moden. Er muss frei sein, nicht manipulierbar von den Meinungsmachern, ein Mensch der bereit ist, die Wahrheit zu suchen. Er muss ein Mensch des Vertrauens sein, der alle bisherigen Sicherheiten und die vollen Schüsseln hinter sich lassen kann, um die Wüstenprüfungen auf sich zu nehmen. Denn nur vor solchen Menschen öffnet sich der Weg in das gelobte Land.

Und endlich, um das Glaubensgütesiegel zu erreichen – laut Brief an die Römer – muss der Mensch bereit sein, aus dem Taufgeheimnis zu leben. Denn in der Taufe wurden wir zu Kindern Gottes, die für eine Welt der Liebe und der Versöhnung eintreten, die Menschen der Hoffnung sind und die mit Gott über die Grenze des Todes hinaus leben wollen. Ein Mensch mit dem Glaubensgütesiegel ist bereit, sich selbst ständig zu erneuern. Er ist bereit, gegen die Sünde zu leben und das eigene Leben auf die Ewigkeit auszurichten.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Osternacht ist in ihrer ganzen Dichte die Zusammenfassung der christlichen Botschaft. Sie macht uns bewusst, dass Gott von Anfang an aus Liebe mit den Menschen geht, sie reichlich beschenkt und zum Leben in Fülle befreien möchte. Auch wir sind in seinem Plan drinnen. Auch wir sind eingeladen, uns auf den Weg mit ihm zu machen. Die Entscheidung, ob wir es tun, kann uns niemand abnehmen. Aber erst dann, wenn wir mit ihm gehen wollen und zu Menschen der Schöpfung, der Freiheit und des Taufgeheimnisses werden, haben wir das Glaubensgütesiegel verdient. Und wenn wir es haben, können wir sicher sein, dass Gott uns nie verlässt, uns in der Mühsal dieses Lebens zur Seite steht und einst zur Vollendung führen wird.

Slawomir Dadas
Pfarrer