Zeugen der Liebe Gottes

„Dann sprach er zu ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist. Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift. Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden. Ihr seid Zeugen dafür.“ (Lk 24, 44-48)

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

gerade in den letzten Tagen waren wir mit den Nachrichten aus Deutschland konfrontiert, bei denen es um eine Verteilungsaktion des Korans ging. Die Erregung war sehr groß. Der deutsche Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnte vor Religionsmissbrauch. Die meisten muslimischen Vereine haben sich von der Aktion distanziert und die CDU entschied sich, das Neue Testament gratis zu verteilen. Auch wir begegnen immer wieder Menschen, die auf der Straße oder an der Tür für ihre religiöse Gesinnung werben, wie den Mormonen oder den Zeugen Jehovas. Ihr Auftritt erzeugt vielleicht bei uns ähnliche Gefühle wie bei den deutschen Bürgern in den letzten Tagen: Unsicherheit und Ablehnung. Aber warum? Betrachten wir solche Menschen als eine Gefahr für uns? Haben wir Angst, dass sie – wenn schon nicht uns – dann andere Katholiken abwerben? Oder sind sie uns vielleicht ein Dorn im Auge, weil sie etwas tun, wofür wir keinen Mut aufbringen?

Gerade heute haben wir in den Lesungen von den Zeugen des Glaubens gehört: von Jesus, der seine Jünger stärkt und sie zum Zeugnis auffordert, von Petrus, der die Angst ablegt und auf dem Tempelplatz zu den versammelten Menschen spricht. Diese Texte bewegen uns, darüber nachzudenken, wer die Zeugen im biblischen Sinn sind und wie und wofür wir Zeugen sein können.

In der Heiligen Schrift können wir zwei größere Richtungen innerhalb der Reden von den Zeugen beobachten: einerseits im juristischen Sinn, wenn Menschen in einem Gerichtsverfahren aussagen sollten, andererseits im religiösen Sinn, wo es um die Zeichen für Gott und sein Wirken in der Welt geht. Bereits die Gesetzestafeln im Alten Testament wurden als Zeugnis bezeichnet und die Lade in der sie aufbewahrt waren, als „Wohnung des Zeugnisses“. So ist das Zeugnis immer auf Gott ausgerichtet und die Zeugen sollen dazu beitragen, dass die Menschen Gott in der Welt erkennen. Es versteht sich dann von selbst, dass das Zeugnis nichts mit Bewerbung für oder mit dem Abwerben von einer Gemeinschaft zu tun hat. Ein solches Denken, das mehr an parteipolitische Interessen erinnert als an Gott und seinen Heilswillen für die Menschen, ist grundsätzlich abzulehnen.

Beim Zeugnis muss es darum gehen, was Gott für uns Menschen tut und wie er sich in unserem Leben finden lässt. Darum sind die Texte von den Zeugen nach der Auferstehung mit solchen Themen wie Friede, Vergebung, Sieg über den Tod verbunden. Zeugin oder Zeuge zu sein bedeutet nicht die Überzeugungskunst zu erlernen, sondern zu wissen, was Gott für mich tut und zu leben, was seinem Willen entspricht. Bei den Zeuginnen und Zeugen sind keine Marketingtricks gefragt, sondern gelebte Hinweise auf Gott, auf sein befreiendes Wirken auch in meinem Leben.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wenn Jesus Menschen zum Zeugnis aufruft, dann meint er keinen Aktionismus, keine Werbekampagne und keine Wählerverschiebung von einer Religionsgemeinschaft zu der anderen. Wenn Jesus von Zeugen spricht, dann meint er Menschen, die zuerst an sich das Heilswirken Gottes erlebt haben und dadurch so leben, dass man es an ihnen erkennen kann. Er meint Menschen, die ihr Leben aus der frohmachenden Botschaft gestalten, die wie Jesus bereit sind, in den Anderen Schwestern und Brüder zu sehen, unabhängig von der Nationalität, von der sozialen Situation, von Brüchen und Enttäuschungen, die zu ihrem Leben gehören. Er meint Menschen, die vergeben, die annehmen, die die Grenzen überschreiten, um zu integrieren.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, Zeugen der Liebe Gottes in unserer Welt zu sein. Ich wünsche uns, dass Menschen an uns erkennen, dass wir aus Gott leben, der die Sünde und den Tod besiegt und alle in sein Reich führen will.

Slawomir Dadas
Pfarrer