„Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: er wird nicht um seinen Lohn kommen. Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9, 38-42)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Im ersten Teil des Evangeliums zeigt sich Jesus verblüffend tolerant. Tut jemand etwas Gutes in seinem Namen, handelt er in seinem Sinne. Damit jemand Wunder tun darf, fordert Jesus keine Lizenz und auch keine Mitgliedschaft in seinem Jüngerkreis. Hauptsache ist, dass der Mensch Gutes tut. Die Jünger sehen das zunächst anders. Sie versuchen den Wundertäter zunächst aufzuhalten. Sie halten ihn nicht für autorisiert. Jesus aber weist seine Jünger zurecht: „Lasst das Gute geschehen!“ Vermutet zuerst einmal das Gute. Demnach nimmt Jesus an, dass Menschen, die Gutes tun, ihm nahe stehen, gleich ob sie sich explizit zu ihm bekennen oder nicht. Das macht Jesus offen und gewinnend für die Menschen. Jesus verbreitet eine Lehre, die gelassen mit ihren Grenzen umgeht. Da wird nicht scharf unterschieden zwischen denen da drinnen und denen da draußen. Alle die die Absicht Jesu teilen und Gutes tun rechnet er zu seinen Freunden. Für ihn kommt es nicht auf die Zugehörigkeit an, sondern auf die innere Haltung des Menschen. Im Gegensatz zum toleranten und offenen Verhalten Jesu versuchen viele innerhalb der Institution Kirche sich immer stärker abzugrenzen und vermehrt zu normieren, streng zu regeln. Das verstärkte abgrenzen führt aber zu einer Ausgrenzung von Menschen, die nicht der Norm entsprechen. ZB Geschiedene Wiederverheiratete. Jesus war damals toleranter und näher am Menschen dran als seine Jünger.
Liest man im Evangelium weiter, dann gibt es für Jesus aber keine Toleranz gegenüber Menschen, die andere vom Glauben abbringen, die erfahren seinen Zorn.
Jetzt wechselt im Evangelium die Sprache. Da ist in drastischen Bildern die Rede vom Hand abhauen und Auge ausreißen.
Ist das „unser“ Jesus, wie wir ihn kennen und lieben, der so spricht? Diese Sprache erinnert eher an einen radikalen Fundamentalisten für den ein Menschenleben wenig zählt. Nein, so kann diese Rede nicht gemeint sein, wo doch sonst immer in der Bibel steht wie heilig dieser Körper ist und dass er ein Tempel Gottes ist. Spätestens hier wird klar, dass es nicht um ein wirkliches Abhacken von Gliedmaßen geht. Wenn Jesus zu so deftigen Bildern greift, dann nur deshalb, weil es ihm bitterernst ist mit dem, was er uns da beibringen will.
So wie Ärzte im Notfall amputieren müssen um das Leben eines Patienten überhaupt retten zu können, so fordert Jesus uns auch auf zu lebensrettenden Maßnahmen bei uns selber zu greifen. Bevor uns das Böse innerlich infiziert, uns voll erfasst, müssen wir handeln. Alles was uns von Gott wegführt, von der Liebe wegführt, dagegen müssen wir etwas tun, auch wenn das manchmal schmerzhaft ist. Jeder weiß selbst was ihn oder sie von Gott wegführt. Was zerstört mein Leben? Wogegen muss ich etwas unternehmen? Es gibt eine ganze Reihe von Verhaltensweisen, die uns von unserer eigentlichen Bestimmung, von unserem eigentlichen himmlischen Ziel ablenken. Sie führen uns nicht zum Glück, sondern verführen uns. Sie sind lebensgefährlich, weil sie unser wirkliches Glück zerstören. Beim einen ist es vielleicht die Alkoholsucht, die alle Beziehungen zerstört, zur Frau, zu den Kindern und letztlich zu sich selbst. Bei jemand anderem ist es vielleicht die Trägheit, die einen nur mehr vor dem Fernseher und dem Computer sitzen lässt. Man flüchtet in die virtuelle Welt, die reale Welt wird einem egal. Bei der nächsten ist es vielleicht eine krankmachende Arbeitssucht, die für nichts mehr Zeit lässt, dass man nicht mehr wahrnimmt wie es den Menschen rund um einen geht. Da wo wir uns selbst oder andere kaputt machen, da kennt Jesus keine Toleranz, da sind seine Forderungen radikal.
Das was ich denke, sage oder mache – hilft das mir und den anderen zu Gott hin oder trennt es uns immer weiter von ihm?
Ganz radikal wird Jesus bei der Formulierung: “Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ Die Kleinen sind hier nicht die Kinder, sondern die Menschen, die in ihrem Glauben noch nicht genügend gefestigt sind. Sie sind auf der Suche und ihr Glaube steht auf besonders wackeligen Beinen. Priester und Laien tragen Verantwortung, welches Bild von Kirche und Christentum sie vermitteln. Werden wir als einladende, gastfreundliche Kirche gesehen oder als abstoßende.
Radikale Glaubensansichten in Leserbriefen, Fernsehinterviews, Predigten provozieren Menschen, stoßen sie ab, verunsichern sie und sie ziehen sich völlig zurück von der Kirche.
Jesus hat keine Toleranz mit Menschen, die anderen Menschen Schaden zufügen, sie vom Glauben abbringen.
Birgit Raffelsberger