„Daher betete ich und es wurde mir Klugheit gegeben; ich flehte und der Geist der Weisheit kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr. Keinen Edelstein stellte ich ihr gleich; denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig Sand und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm. Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit und zog ihren Besitz dem Lichte vor; denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausstrahlt.“ (Weish 7,7-10)
Liebe Christinnen, liebe Christen!
Machen wir zu Beginn ein kleines Experiment. Betrachten Sie Ihre Hände und ballen Sie sie zu Fäusten. Stellen Sie sich vor, dass Sie etwas Wertvolles ganz fest halten. Haben Sie das Gefühl, dass Sie in diesem Zustand etwas empfangen können? Selbst wenn ich Ihnen jetzt etwas geben würde, hätten Sie mit der Hand in der Sie etwas festhalten kaum die Chance etwas Neues aufzunehmen. Das Leben will Ihnen aber ununterbrochen dienen und Ihnen etwas geben. Aber wie soll es Ihnen etwas geben, wenn Sie die Hände geschlossen haben und nicht bereit sind, sich zu öffnen? Das was Sie festhalten, loszulassen. Wir haben Angst vor Veränderung und halten lieber am Alten fest. Wenn wir am Alten festhalten, werden wir blockiert, dann gibt es keine Weiterentwicklung.
Woran halten Sie fest? Was trauen Sie sich nicht loszulassen? Was ist Ihnen so wichtig, dass Sie es festhalten müssen? Wofür tun Sie alles, damit es ja nicht verloren geht?
Halten Sie fest an Ihrem Besitz? Tun Sie alles, damit er sich vermehrt?
Alles dreht sich auf dieser Welt um das Geld. Auf der einen Seite ist eine Gier nach Reichtum und noch mehr Reichtum. Auf der anderen Seite die Angst vor Geldverlust und wirtschaftlichem Schaden durch Finanz- und Börsenkrisen. Reichtum ist für viele der höchste Wert. Dafür muss man viel tun. Zeit investieren, 60 Stunden und mehr arbeiten, Gesundheit investieren, denn die viele Arbeit geht aufs Kreuz, erhöht das Herzinfarktrisiko, usw. Am Abend fallen Sie erschöpft ins Bett und sind zu nichts mehr fähig. Nicht einmal mehr zum Beten. Der Wert des Geldes wird überbetont. Er ist nicht in Balance. Gesundheit, Beziehung, Kinder, Spiritualität kommen zu kurz.
Wenn Sie bei Gott einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen? Gesundheit, Zufriedenheit, Reichtum, Schönheit, Erfolg im gesellschaftlichen Leben, ein glückliches Familienleben? König Salomo war in der glücklichen Lage, vor Gott einen Wunsch frei zu haben. König Salomo, der frisch ernannte König seines Volkes, und noch sehr unsicher in seiner Aufgabe, wünscht sich nichts anderes, als ein urteilsfähiges Herz, damit er sein Volk regieren und zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Gott erfüllt ihm diesen Wunsch und gibt ihm noch Reichtum und Ehre dazu.
Unser heutiger Lesungstext aus dem Buch der Weisheit spielt auf diese Bitte Salomos an. Wer Gott um Weisheit und Klugheit für die anstehenden Aufgaben bittet, der bekommt von Gott diese geschenkt. Weisheit ist wertvoller als Reichtum. Gold, Silber und Edelsteine sehen neben ihr nichtig und glanzlos aus. Reichtum ist nichts im Vergleich mit der Weisheit. Selbst die Gesundheit hat gegen die Weisheit keine Chance. Seien wir ehrlich, würden wir Weisheit gegen Gesundheit eintauschen?
Die Weisheit ist ein Geschenk Gottes, unabhängig von der Bildung und macht jeden von uns zum glücklichsten Menschen. Wer aus dem Glauben an Gott heraus richtig urteilen und handeln kann, wird innerlich frei und unabhängig, damit glücklich und zufrieden. Wer die Weisheit Gottes in sich hat, kann auch loslassen. Dieses Loslassen im Vertrauen auf Gott bringt innere Freiheit und Unabhängigkeit. Diese Weisheit für ein gottgewolltes Handeln steckt in jeder Frau, in jedem Mann. Vielleicht brauchen wir ein wenig mehr Stille, um die Stimme der Weisheit in uns zu hören. Wir brauchen auch den Mut unserer eigenen Weisheit, die uns von Gott geschenkt wurde, zu vertrauen. Die Mächtigen und Einflussreichen haben die Weisheit nicht immer mit dem Löffel gegessen. Wir müssen uns dagegen auch wehren: gemeinsam – kraftvoll und engagiert, wie es im Jahresmotto der Kath. Frauenbewegung heißt.
Im Evangelium wird heute von einem reichen, jungen Mann die entscheidende Frage gestellt: „Was muss ich tun um das ewige Leben zu erlangen?“ Es steht, dass er sich sehr bemüht ein gutes religiöses Leben zu führen, dass er alle Gebote einhält. Man würde erwarten, dass ihn Jesus dafür lobt und dass er sich das ewige Leben „verdient“ hat. Aber nein, es kommt ganz anders.
Jesus schaut ihn an. Das sind die Augenblicke, wo wir uns geprüft und durchschaut fühlen, wo jemand unser Innerstes erkennt, unsere Schwächen durchschaut. Und weil er ihn liebte sagte er: „Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“
Enttäuscht ging der junge Mann weg. Hatte er sich nicht über alle Maßen bemüht, alles getan, was ihm möglich war? Aber sein Herz ist zu sehr an sein Geld gebunden. Unser Geld bindet unsere Kraft, unsere Energie, unsere Zeit, unsere Aufmerksamkeit. Wir haben gar keine Zeit, uns genug um die anderen zu kümmern, in jedem Augenblick für die Menschen da zu sein, zu schauen was gerade nötig ist. Wir glauben, wir brauchen das Geld um uns abzusichern, ein Netz zu haben, eine Pension zu haben. Aber auf Gott zu vertrauen heißt ohne Absicherung und ohne Netz zu leben. Ich halte mein Leben Gott hin und vertraue, dass es sich zum Guten wenden wird. Eine gute Freundin sagte einmal zu mir: „Warum hast du Angst? Du bist doch getauft. Vertraue einfach.“
Birgit Raffelsberger