„Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen.“ (Thess 4,13-14)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
es ist ein Phänomen, dass der Körper bei einigen Unfällen wie Schnittwunden oder anderen Verletzungen so viel Adrenalin ausstößt, dass die Betroffenen zuerst keinen Schmerz empfinden. In solchen Momenten verhalten sie sich auch zum Teil irrational. Im seelsorglichen Dienst erlebte ich nach einem Busunfall einmal, dass eine Frau, die eine schwere Wirbelsäulenverletzung hatte, anderen noch helfen wollte, bis sie selbst zusammenbrach. Zum Glück dauert ein solcher Zustand nicht sehr lange und der geschädigten Person kann geholfen werden.
Sehr ähnlich ergeht es den Trauenden. Der Verlust eines lieben Menschen ist eine tiefe Wunde. Im ersten Moment ist die betroffene Person oft in einem Schock. Es dauert auch hier nicht lange und die „Verlustwunde“ will versorgt werden – so ähnlich wie bei einer körperlichen Verletzung. So sehr im medizinischen Bereich nach einer ersten Untersuchung klar ist, wie es mit der Therapie weitergeht, so schwierig scheint aber die Lage im seelischen Bereich zu sein.
Denn der Umgang mit dem Tod und mit der Trauer erlebt – wie fast alles andere in unserer Gesellschaft – einen starken Wandel. Die alten Bräuche, wie der Trauermonat oder die Trauerkleidung verschwinden und die alten Zuständigkeiten, wie der Familienkreis, die Nachbarschaft oder das Gebet in der Pfarre spielen nicht mehr eine solche Rolle, wie früher. Einige suchen den Rat beim Psychologen, die anderen bei einer Ritualgestalterin oder bei einem Schamanen, wieder andere versuchen dem Zeitgeist entsprechend alles zu rationalisieren, abzuschieben und zu verdrängen.
Als Christen haben wir einen besonderen Zugang zum Tod und zur Trauer. Denn seit der Auferstehung Christi gibt es die Zusage, dass der Tod nicht der endgültige Zerstörer der Beziehungen ist, dass er keine Macht hat, in Liebe verbundene Menschen auf ewig zu trennen, dass er nur ein Abschied auf Zeit ist.
Seit der Auferstehung muss also die Trauer – unser Leid über den Verlust einer Person – anders verstanden werden. Sie ist eine Zeit der Fernbeziehung, eine Zeit des sehnsüchtigen Wartens auf ein Wiedersehen bei Gott. Diese Zeit will gestaltet werden, weil jede Wunde, eine körperliche oder eine seelische, muss entsprechend versorgt werden.
Der Tod und dadurch die Trauer berühren einen menschlichen Bereich vor dem alle Wissenschaften einen Stopp machen. Denn das Wissen und das Denken des Menschen können nur den Tod feststellen und seine unmittelbare Ursache benennen. Erst der Glaube kann über die Grenze des Todes hinausschauen. Die Erfahrungen der Verbundenheit mit unseren Verstorbenen, das Gefühl, dass sie irgendwie da sind, die unerklärte Gewissheit, dass sie weiterhin mit uns gehen und uns begleiten, ist da und bewegt uns zum Gespräch mit ihnen, zum Gebet für sie und zur Bitte, dass auch sie für uns beten.
Aus diesem Grund sind wir hier versammelt als verwundete Menschen in einer Fernbeziehung. Bei Gott und in der Gemeinschaft der Glaubenden suchen wir den Trost und die Stärkung, um die Zeit der Trennung zu überbrücken. Und gerade hier finden wir die Zusage Gottes, dass alle Menschen, die sich ihm anvertrauen und seine Wege gehen, zum Leben in Fülle finden. Unser Trennungsschmerz kann geheilt werden, wenn wir den Tod im Licht des Glaubens sehen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
ich wünsche uns allen, dass diese Tage und das Gebet für unsere Verstorbenen unseren Glauben an das Leben danach stärken. Ich wünsche uns, dass wir nicht nur trauern, sondern auch sehnsüchtig warten auf das Wiedersehen im Reich des Friedens und der Liebe.
Slawomir Dadas
Pfarrer