„So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2, 4-7)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
haben Sie sich einmal gefragt, warum in dem gerade gesungenen Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ „der Knab im lockigen Haar“ in himmlischer Ruh schläft? Wenn man einer Windelwerbung Glauben schenkt, dann hängt sein guter Schlaf damit zusammen, dass seine Mutter die richtigen Windeln verwendet. Denn die Windelwerbung verspricht Glück und Zufriedenheit, Gesundheit und große Bewegungsfreiheit – auch in der Nacht – all jenen, die sich für die richtigen Windeln entscheiden. Gott in Windeln, mit einem kleinen Grinser im Gesicht, umgeben von der Schar der Hirten und der Engel, die Halleluja singen und den Frieden verkünden, weil sich Maria für die richtigen Windeln entschieden hat.
Nein, Sie brauchen sich nicht zu fürchten, ich habe keinen Werbevertrag mit einer Windelfirma unterschrieben, damit wir die Orgel ausfinanzieren.
„Der Knab im lockigen Haar“ schläft in himmlischer Ruh, weil Gott dem Menschen vertraut. Gott gibt seinen eigenen Sohn in die Hände der Menschen. Mit ihm gibt er seine Pläne von einer neuen Welt in unsere Hände. Wie er damals an Maria geglaubt hat, glaubt er heute an uns. Seine Botschaft des Friedens und der Solidarität mit den Schwachen und mit denen, die auf Macht, Ruhm und Gewalt verzichten, sollte unsere werden. In Jesus – im Gott in Windeln – zeigt sich das größte Vertrauen Gottes zu uns Menschen; zu Dir und zu mir und zu jedem Menschen, der von einer gerechten Welt träumt.
Gott in Windeln ist eine Aussage, die zuerst irritiert. Denn Windeln braucht jemand, der hilflos, ausgeliefert und auf andere angewiesen ist. Das Kommen Gottes und seines Reichs stellte man sich aber bereits damals – vor über zwei Tausend Jahren – anders vor: Gott müsste mächtig sein, er müsste radikal vorgehen, eine Ordnung schaffen und bei Bedarf zuschlagen, um seine Anhänger zu retten und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen.
Gott wählt aber einen anderen Weg. Seine Windeln sagen uns: Ich will euch nicht die ganze Arbeit abnehmen. Ich will euch an meinem Werk beteiligen. Ich brauche Dich, um den Traum von einer friedlichen Welt Wirklichkeit werden zu lassen. Ich brauche Dich und ich will, dass Du sichtbar mit mir eine Beziehung lebst, damit sich Menschen von der Gottlosigkeit und von den irdischen Begierden befreien können. Denn ich will keine Welt der selbstgemachten Götzen, in der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Ich will keine Welt, der selbstgemachten „Werte“, in der das Geld mehr bedeutet als die Beziehungen, in der Betrug, Ausbeutung oder Abschiebung schön geredet werden. Ich will eine andere Welt. Eine Welt, die sich vom Egoismus abwendet und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ich brauche aber Dich dazu, um diese Welt zu schaffen.
Seine Windeln sagen uns noch mehr. Sie sagen: Es gibt viele Menschen, die ihr Leben nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Es gibt viele, die in den letzten Jahren unter die Räder der Spekulanten gekommen sind, viele die aufgrund der zerbrochenen Beziehungen keinen Anschluss an die Gemeinschaft wagen und vereinsamen, viele die mit dem Wahn des Konsums nicht mithalten können und wollen und dadurch am Rande der Gesellschaft leben müssen. Ich brauche Dich, damit diese Menschen wieder Mut und Kraft gewinnen. Ich brauche Dich, damit sie erfahren, dass ich auch – oder gerade – für sie in den Windeln liege. Ich brauche Dich, weil sie dich brauchen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Gott in Windeln, mit einem Grinser auf seinem göttlichen Mund, schlafend in himmlischer Ruh – ein Ausdruck des größten Vertrauens Gottes zu uns Menschen.
Ich wünsche uns allen, dass wir dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Ich wünsche uns, dass uns die Windeln nicht nur in eine Mitleidsstimmung versetzen und darin lähmen, sondern dass sie uns zu Tat bewegen, gemeinsam mit Gott an der neuen Welt des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe mitzuarbeiten.
Slawomir Dadas
Pfarrer