Gott für mich

„Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ. So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.“ (Lk 2,15-18)

 

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

haben Sie das Gefühl, dass Sie gestern gut und stimmungsvoll gefeiert haben? Seien Sie sich nicht so sicher. Denn ich möchte Ihnen als Einstieg in die Predigt einen Weihnachtsbericht vorlesen, gefunden im Internet, verfasst von einer Angelina 1004.

„24. Dezember 2009 – Puerto Limón/Costa Rica
(…) Auf abenteuerlichen Wegen sind wir mit unserem Bus in den Veragua-Regenwald gefahren und haben dort vieles über die Flora und Fauna erfahren und auch hautnah erlebt. Ich hätte niemals gedacht, dass mich Pflanzen so beeindrucken können…
Costa Rica ist landschaftlich gesehen wirklich der Wahnsinn: Dort wachsen Bananen und Zitrusfrüchte am Straßenrand, alles ist üppig grün, Blumen aus unseren deutschen Blumensträußen wachsen dort wild am Wegesrand und Faultiere hängen in den Bäumen herum. Danach haben wir noch eine Bootstour durch die Mangroven gemacht und dabei Fledermäuse, verschiedene Vögel, Faultiere, Affen und Leguane entdeckt. (…)
Am Abend hatte ich beim Bingo endlich mal etwas Glück und habe ein Glas Sekt gewonnen. „Wie viele Oscars gewann Alfred Hitchcock? Gar keinen!“ (…)
Am Abend gab es dann noch eine schöne Weihnachtsgala im Theater zu der Kapitän Berg auch eine Weihnachtsgeschichte lieferte. (…) Insgesamt herrschte hier eine schöne sinnliche Weihnachtsstimmung.“ aus: (https://www.aida-weblounge.de/weblounge/reiseberichte/weihnachten-silvester-in-der-karibik-ein-traum–2)

Jetzt verstehen Sie den Grund meiner Anfangsfrage. Am Weihnachtsfest wird es deutlicher als an jedem anderen Tag im Jahr, auf welch unterschiedliche Werte die Menschen unseres Kulturkreises setzen und wie unterschiedlich eine gute, stimmungsvolle Feier verstanden werden kann. Diesem oben dargestellten Bericht zum Thema „Weihnachten als Erlebnis einer fremden Kultur“ könnte man andere Berichte hinzufügen, die wir „Weihnachten als Familientreffen“, „Weihnachten als Geschenkeabend“ oder „Weihnachten als Fest der unerfüllten Wünsche“ bezeichnen könnten.

Was braucht der Heilige Abend, was braucht das Weihnachtsfest, um das Prädikat „gut und stimmungsvoll“ zu verdienen? Reicht dazu der grüne Baum, aufgestellt als Symbol des Lebens in einer Winterlandschaft und das gehörte Weihnachtsevangelium? Reicht der gute Wille, sich an diesen Tagen um die Atmosphäre des Friedens und der Versöhnung zu bemühen? Reichen die vom Herzen überreichten Geschenke, als Zeichen der Verbundenheit, der Liebe, mit der Absicht jemandem eine Freude zu machen?

Auch wenn das alles richtig und wichtig ist und in keinem Fall abgewertet werden sollte, ersetzt es das Eine und das Entscheidende nicht:

Weihnachten ist erst dann ein gutes und stimmungsvolles Fest, wenn ich es im Glauben feiere, dass Gott in meine Welt eintritt, um mit mir zu gehen und in meinem Leben zu wirken. Weihnachten ist erst dann, wenn Gott weder als die Puppe in der Krippe, noch als der Ferne, Unzugängliche gesehen wird, sondern als der, der sich berühren lässt und der uns ganz nahe ist.

Zu Weihnachten können ästhetische Elemente und moralische Vorsätze eine Rolle spielen, aber sie dürfen nicht die Suche nach Gott in der Welt und in meinem Leben zudecken. Sie dürfen nicht die Frage verstummen lassen: In welcher Gestalt kommt Gott zu mir, wo und wann kann ich finden und ihm begegnen?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Weihnachten ist das Fest des Glaubens, dass Gott in mein Leben eintritt, um mich mit Frieden und mit Freude zu beschenken. Weihnachten ist ein Fest der Kinder, die spüren, dass Gott mit ihnen geht, wie eine Mama und ein Papa, es ist ein Fest der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf der Suche nach ihm sind und das Fest der älteren Menschen, die bereits erfahren haben, dass man ohne ihn immer wieder ansteht.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, zu Weihnachten fasziniert zu sein, nicht weil es Fledermäuse und Faultiere gibt, sondern, weil es Gott für mich gibt. Ich wünsche uns, dass wir Gott in unser Leben einlassen und dadurch seine Liebe und seine Nähe erfahren können.

Slawomir Dadas
Pfarrer