Schlüsseltausch für die Lebensluxuslimousine

„Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte. Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel.“ (Mk 6b-8)

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

borgen Sie sich gerne etwas aus? Wie geht es Ihnen mit ausgeborgten Dingen? Wie gehen Sie mit ihnen um?
Stellen Sie sich vor, dass morgen in der Früh – d.h. um ca. 13.00 Uhr, also kurz nach dem Aufstehen bei Ihrem Neujahrsfrühstück – ein Nachbar an Ihre Tür klopft und Ihnen eine tolle, in Österreich einzigartige Luxuslimousine für ein Jahr borgen – also gratis zur Verfügung stellen möchte. Würden Sie sie nehmen? Oder ablehnen aus Angst, dass etwas passieren könnte und Sie die Verantwortung für so einen Luxuswagen nicht übernehmen wollen? Wenn der Nachbar Ihnen aber versichern würde, dass er einen möglichen Schaden schon einkalkuliert hat und Ihnen das Auto trotzdem anvertrauen möchte, um Ihnen Freude zu machen – würden Sie es dann nehmen?

Sagen wir, nach einigem Hin- und Her-Überlegen würden Sie es tun. Dann würden Sie in den ersten Tagen wahrscheinlich sehr langsam und vorsichtig fahren. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Sie sich nach einer gewissen Zeit schon an den Luxus gewöhnen. Und es würde für Sie zu einem normalen Auto werden, das nur ein wenig mehr glänzt und mehr auffällt, als die anderen und das mehr Aufmerksamkeit erregt. Aber langsam und sicher würde der Wagen ein Teil Ihres Lebens werden.

Und weil ein Jahr sehr schnell vorbei geht, würden Sie Ihrem Nachbar, der am 31. Dezember wieder bei Ihnen aufkreuzt, vielleicht mit gemischten Gefühlen aufmachen. Denn Sie haben sich schon an das Auto gewöhnt, es gefällt Ihnen, aber auf der anderen Seite wären Sie vielleicht ein wenig erleichtert, dass Sie nicht mehr ständig darauf aufpassen müssten, und dass es nun wieder beim Besitzer landet.

Alle, die mich schon ein wenig kennen, wissen, dass ich kein Autofetischist bin und können sich denken, dass es mir nicht um ein Auto geht. Mit der Luxuslimousine habe ich Ihr Leben gemeint, das Ihnen wieder für ein Jahr geliehen wird. Geliehen, weil wir es bekommen und nach einer gewissen Zeit wieder zurückgeben werden. Eine Luxuslimousine, weil das Leben einzigartig und nicht wiederholbar ist. Nicht unbedingt perfekt, nach einer Regenausflug nicht immer glänzend, aber trotzdem einmalig, besonders und unbezahlbar.

Morgen in der Früh, egal, wann es morgen für Sie „Früh“ ist, bekommen Sie die Schlüssel für die neue Fahrt. Ich hoffe, dass Sie damit behutsam umgehen.

Es würde sich anbieten, am Anfang des Jahres darüber nachzudenken, wo ich ankommen will, um nicht im Kreis herum zu fahren. Da wir auf den Straßen des Lebens prinzipiell nicht alleine sind, werden wir auch im kommenden Jahr auf andere Rücksicht nehmen müssen. Mit lautem Hupen, herum schimpfen und vielleicht den Vogel zeigen, kommt man in der Regel nicht schneller vorwärts und sicher nicht entspannter.  

Auch im kommenden Jahr kann unsere Lebenslimousine einen Kratzer bekommen oder in einen Crash verwickelt sein. Dabei sollen wir daran denken, dass der, der uns unser Leben geliehen hat, das alles bereits mitbedacht hat und uns trotzdem vertraut und uns trotzdem zum Weiterfahren ermutigt.

Denn beim Leben geht es in der Regel um was anderes als bei den Luxuswägen. Es geht nicht darum, es zur Schau zu stellen, aufzupolieren, damit die anderen Sie bewundern können. Es geht darum, sich fortzubewegen, Ziele zu erreichen, die unsere Horizonte weiten, Menschen mitzunehmen, die uns bereichern. Beim Leben geht es nicht um Geschwindigkeit und nicht um die Lautstärke der Motoren, sondern darum, auf Kurs zu bleiben, manchmal langsam, am Straßenrand aber immer in die richtige Richtung.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

dankbar, ein wenig traurig oder hoffnungsvoll tauschen wir heute die Schlüssel der bereits altgewordenen Lebensluxuslimousine auf die einer neuen ein: „Aus Gottes Hand geschenkt – in Gottes Hand zurückgelegt“.

Dabei wünschen wir uns, dass die Fahrt dieses Jahres eine gute sein kann, im Vertrauen, dass Gott mit uns mitfährt und uns auf unseren Wegen begleitet. Wir wünschen uns, dass wir im kommenden Jahr das große Ziel unserer Lebensfahrt nicht aus den Augen verlieren und dass wir daran denken, dass unser Leben eine Luxusgabe ist – aber eine nur geliehene.

Slawomir Dadas
Pfarrer