Die Kästen im Keller des Pfarrheims …

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4, 4-7)

 

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

vor einigen Wochen haben wir uns getraut, im Keller des Pfarrheims die schon seit Jahren verschlossenen Kästen aufzumachen – d. h. einige davon. Neben alten Farbkübeln, Kaffemaschinen, Pokalen, haben wir auch Säfte gefunden, die bereits im Jahr 2002 abgelaufen sind und auch einige Flaschen Wein aus den neunziger Jahren. Weil die Sachen heute schon Altertumswert haben, werden wir sie zur Versteigerung anbieten, damit wir die Anschaffung der Orgel und die Umgestaltung des Kirchenraumes ohne finanzielle Sorgen durchführen können. Schon jetzt bedanke ich mich bei denen, die damals in weiser Voraussicht gehandelt haben!

Zwei Kästen halten wir derzeit noch verschlossen und ich überlege, ob wir sie überhaupt aufmachen sollen. Denn es könnte sein, dass dort jemand eingesperrt und dann vergessen worden ist, z.B. ein Jungscharkind oder ein Ministrant. Möglicherweise sitzt im ersten Kasten ein Jungscharmädchen aus der Zeit von Pfarrer Bachmair; damals zehn Jahre alt – heute um die zwanzig. Wenn diese junge Frau heute aus dem Kasten heraussteigen würde, hätte das einen Vorteil: Sie wäre als Quereinsteigerin sofort willkommen in der Jugendarbeit, weil sich das Team intern sowieso auf keinen neuen Jugendpfarrleiter einigen kann.

Wir sollen aber die möglichen Probleme nicht verschweigen, die mit der Kastenbefreiung der jungen Frau auf uns zukämen. Denn sie hätte die Entwicklung der letzten Jahre nicht mitbekommen: die Pensionierung von Pfarrer Bachmair und die kurze Episode mit dem Pfarrer Trinkfass. Sollte sie also jetzt dem Pfarrer vorgestellt werden, würde sie sich vermutlich denken: Boah, was haben sie denn mit dem gemacht!?: ein wenig rasiert, ein wenig geliftet und er schaut gleich einige Jahre jünger aus.

Den nächsten Schock bekäme sie möglicherweise im Pfarrbüro. Da würde sie sich denken: da waren Chirurgen am Werk: den männlichen gewichtigen Pfarrsekretär haben sie der Geschlechtsumwandlungsoperation unterzogen und halbiert: die eine Hälfte sitzt am Mo, Di, Do, und Fr, und die andere am Mittwoch im Büro.

Es könnte auch sein, dass man vor ihr den Kaplan schützen müsste. Denn sie könnte glauben, dass in den letzten zehn Jahren das Zölibat gefallen ist und die Priester darauf warten, erobert zu werden.

Und wenn sie gerne mit der Obfrau des Pfarrgemeinderates reden würde, würde sie die nächste Überraschung erleben. Aus der Obfrau ist ein Obmann geworden und über die Antwort auf die Frage warum? kann nur spekuliert werden. Vielleicht haben sein Beruf und die Liebe zu den Kühen den Ausschlag gegeben. Möglicherweise wünschte sich der Pfarrer als Obmann eine Person, die ihn täglich mit der frischen Milch beliefern kann.

Aber sagen wir, dass im zweiten Kasten ein Ministrant in der Zeit vom Pfarrer Trinkfass eingesperrt wurde. Die Gründe dafür könnten unterschiedlich sein: Vielleicht wurde er von den militanten Rauchern eingesperrt, weil er als vierzehnjährige Bursche am Ministrantenlager nicht rauchen wollte. Man könnte ihn auslassen, aber da er nicht gewohnt ist, dass das Pfarrheim rauchfrei ist, könnte es bei ihm zur Hyperventilation kommen und er kippt um. Man müsste also zuerst Vorkehrungen treffen, dass er sich langsam an die frische Luft gewöhnt.

Es könnte aber auch sein, dass er von der Frauenbewegung eingesperrt wurde, weil es schon damals Gerüchte über die Entstehung einer Jungmännerbewegung gab, die Bibel lesen und religiöse Vorträge besuchen wollen, um in diesen Bereichen die Frauendominanz zu brechen.

Oder war das eine Aktion der Jungschar, die auf diese Weise den Zulauf zu den Ministranten stoppen wollte?

So unterschiedlich die Gründe dafür sein können, so sollte man auch die Probleme nach der Freilassung bedenken. Man müsste ihn langsam erst daran gewöhnen, dass er nicht mehr unbeobachtet der Pfarre fern bleiben kann. Da alles in regelmäßigen Abständen fotografiert und auf der Homepage oder auf Facebook publiziert wird, kann man gut kontrollieren, wer welche Gottesdienste und Veranstaltungen besucht und wer nicht.

Sie sehen, es ist nicht so einfach zu entscheiden, ob wir die letzten zwei Kästen aufmachen sollen oder nicht. Eins ist aber klar: Sollten die beiden freigelassen werden und den Spruch der Deutschen „Wir sind Papst“ hören, dann lassen sie sich freiwillig wieder einsperren.

Slawomir Dadas
Pfarrer

2 Gedanken zu „Die Kästen im Keller des Pfarrheims …

  1. Das „Wir sind Papst“ bekommen die gar nicht mehr zu hören. Stattdessen heißt es jetzt, mit nach unten gezogenen Munwinkeln „wir waren Papst“ 😉

  2. Das Orakel der Faschingspredigt hat in beeindruckender Weise für die Freilassung der beiden eingesperrten Kinder entschieden. „Wir sind Papst“ ist bald Geschichte. Also, auf mit den Kästen!

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