„Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt. Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe.“ (Joh 4,14-15a)
Liebe Christinnen, liebe Christen!
Der heutige Gottesdienst hat das Thema: Ins Gespräch kommen. Im Evangelium kommt es zu einem sehr intensiven Gespräch zwischen Jesus und der Samariterin. Ein Gespräch, das nicht an der Oberfläche hängen bleibt, das in die Tiefe geht, ein Gespräch das das Leben völlig verändert.
Und das ganze um 12 Uhr mittags, die Sonne brennt erbarmungslos. Da ist es nicht verwunderlich, wenn man müde wird, sich ausruhen möchte, wenn man den ganzen Vormittag über staubige Wege gewandert ist. Jesus hat Durst, ist erschöpft, sehnt sich nach einem Schluck kaltem Wasser. Also ein Gott, der nicht nur theoretisch weiß wie es uns geht auf unseren Wegen, wie wir uns manchmal fühlen. Sondern einer, der müde ist, der erschöpft ist, der Durst hat, dem nichts Menschliches fremd ist.
Und dieser Jesus begegnet am Jakobsbrunnen einer Frau, der auch nichts Menschliches fremd ist. Wasserholen – viele Stunden am Tag verbringen Frauen im Orient mit dieser schweren körperlichen Arbeit. Für Männer unter ihrer Würde! Dass die Frau gerade um 12 Uhr mittags Wasser schöpfen kommt, deutet darauf hin, dass sie nicht unbedingt mit den anderen Frauen der Stadt zusammentreffen will. Normalerweise holt man in dieser Gegend in den kühleren Morgen – und Abendstunden das Wasser, aber nicht wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat. Da hält man Siesta. Wer in dieser Gegend um 12 Uhr Wasser holen geht, der will nicht gesehen werden. Der hat schon genug von schrägen Blicken, von Getuschel, von blöden Nachfragen.
So auch diese Frau im Evangelium. Sie ist mehrfach geschieden, eine Frau mit Vergangenheit. Von den Männern begafft, von den Ehefrauen beargwöhnt, von den Moralaposteln verachtet – „ein Flittchen“ sagt die Straße.
Sie will sich das Getuschel der Bewohner ersparen. Sie will keinen sehen und sie will auch von keinem gesehen werden. Mit keinem zusammentreffen. Sie will in Ruhe gelassen werden. Aber am Brunnenrand sitzt Jesus. Ein jüdischer Mann. Und dieser Mann spricht diese Frau auch prompt und direkt an. Diese Frau, von der nicht einmal der Name überliefert wurde. Wie heißt sie eigentlich?
Die Kinder würden sagen „ein lustiger Vogel“, die Männer „kein Kind von Traurigkeit“. Sie selbst würde vielleicht in einer Kontaktanzeige schreiben. „Oft enttäuschte Mitdreißigerin sucht Prinz, nicht Frosch.“ Männergeschichten hat sie genug gehabt. Sechs Beziehungskisten. Jedes Mal eine neue Hoffnung. Und jedes Mal wieder die gleiche Enttäuschung. Ihre Oma würde vielleicht sagen: „Ja, ja so sind sie nun einmal die Männer. Sie wollen nur das eine. Sonst bist du für sie nur die Putzfrau.“
Ihr Leben hat sie in die Einsamkeit geführt, aber sie sehnt sich nach nichts mehr wie nach der wahren Liebe. Was hat sie nicht alles versucht um die Liebe zu erhalten, aber immer wieder ist sie gescheitert den Mann fürs Leben zu finden. Sie sehnt sich nach lebenslanger Geborgenheit und nach dauerhafter Verlässlichkeit. Sie sehnt sich nach etwas was ihren inneren Durst stillt, ihre Sehnsucht stillt.
Jetzt wir sie wieder von einem Mann angesprochen, von einem Fremden, von einem Ausländer. Das hat ihr gerade noch gefehlt! „Gib mir zu trinken“ „Haben sie Feuer?“ Die kleine Bitte schafft erste Kommunikation. Jesus legt den Finger auf den wunden Punkt im Leben der Frau und sagt ihr einfach auf den Kopf zu “Stimmt, du bist nicht verheiratet, Fünf Männer hast du gehabt und der, mit dem du jetzt zusammenlebst, ist nicht dein Mann.“ Sechsmal hat sie versucht ihre Lebensumstände zu ändern, ihren Durst zu stillen. Aber immer wieder war es der Cola Effekt. Am Anfang schmeckt es super, aber bald ist man wieder durstig. Und er bringt sie dazu, dass sie einmal von sich selbst erzählen kann, von ihrem eigenen unstillbaren Durst. Von ihrem Durst nach Anerkennung, nach wirklicher Zuwendung und Liebe. Von all dem Unerfülltem und Nichterreichtem in ihrem Leben kann sie sprechen. Von ihren Männergeschichten kann sie erzählen, ohne Angst sich schämen zu müssen und verachtet zu werden. Wie weh das tut geschnitten zu werden, nicht dazuzugehören im Dorf, ausgestoßen zu sein, einsam zu sein.
Sogar über ihre religiösen Fragen kann sie sprechen mit dem Fremden: welche Religion die wahre sei, wie das sein wird, wenn der Messias kommt. Ob der Tempel von Jerusalem der richtige Ort zum Beten sei, oder der Tempel von Samaria.
Und der Fremde scheint gar kein Fanatiker zu sein, keiner, der nur den eigenen Standpunkt gelten lässt, keiner der meint der große Gott ließe sich in Tempeln einsperren. „Weder auf diesem Berg noch in Jerusalem“, sagt er, weder in Mekka noch am heiligen Ganges, „im Geist und in der Wahrheit will Gott angebetet werden. Die Frau am Brunnen hat nicht Theologie studiert. Sie versteht nicht genau was damit gemeint ist. „im Geist und in der Wahrheit anbeten“. Doch sie ahnt. Das ist Weite. Das ist auch ein Weg für mich. Auch mit meiner verwickelten Lebensgeschichte bin ich angenommen bei Gott. Auch mein unersättlicher Durst nach Leben darf sein und wird eines Tages gestillt. Die Rast auf dem Weg, das menschliche Gespräch am Brunnen wird zur Gotteserfahrung. Profan und Sakral, Gott und die Welt, das sind nicht zwei getrennte Bereiche. Himmel und Erde können sich berühren.“Ich bin es, der mit dir spricht.“
Und sie lässt ihren Krug stehen am Brunnen und läuft Hals über Kopf ins Dorf:“Kommt und seht, was mir passiert ist!“ Sie, die unbedeutende Frau, hat auf einmal Bedeutung. Sie, die übersehene und scheel angesehene, hat auf einmal An-sehen. Sie die skeptische, fragende, zweifelnde, wird zur Botschafterin des Messias. „Kommt und seht, da ist ein Mann, der hat mir alles gesagt,…“ Und sie kommen und sehen: die Nachbarinnen und die Kinder, der Rabbi und vielleicht auch ihre ehemaligen Liebhaber. Sie wird zu einer Botschafterin des Glaubens für andere. Sie die eben noch mit niemandem zusammentreffen wollte, nicht gesehen werden wollte, rennt auf einmal zurück in die Stadt und klopft an jede Tür und erzählt den Leuten von ihrer Begegnung mit Jesus, die sie so total verändert hat.
Ihr ist kein Märchenprinz vor die Füße gefallen und auch die Trennung von ihrem vielleicht verheirateten Freund wird nicht leichtgefallen sein bzw. sie hat sie noch vor sich. Aber was sich geändert hat: ihre Selbstachtung ist wieder da. Ihre Menschenwürde als Frau ist wieder hergestellt. Ihr Männerbild hat sich geändert. Ihr Lebenshunger ist gestillt. Sie hat durch dieses Gespräch Zugang bekommen zu sich, zu den anderen und zu Gott.
Kommen wir ins Gespräch miteinander, führen wir auch Glaubensgespräche miteinander.
Birgit Raffelsberger, Pastorale Mitarbeiterin
Anregungen für die Predigt entnommen aus: http://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/newsletter/article/predigt-ueber-johannes-41-42.html