„Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste.“ (Jes 43, 18-19)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
in den letzten Jahren sind in Deutschland ein Minister und eine Ministerin zurückgetreten, weil sie von ihrer Vergangenheit eingeholt wurden. Beiden wurde nachgewiesen, dass sie ihre wissenschaftlichen Titel mit Unrecht erworben haben. Früher gehörte es zur Arbeit der Geheimdienste, Menschen in hohen Positionen zu prüfen, damit sie aufgrund ihrer Vergangenheit dem Staat nicht mehr Schaden zufügen als Nutzen. Heutzutage machen es scheinbar Journalisten oder private Personen, die aufgrund der Weltvernetzung sehr schnell Informationen verbreiten können. Auch unser neuer Papst Franziskus musste innerhalb von 48 Stunden erfahren, dass er eine Vergangenheit hat, die ihm zumindest einige anlasten wollen. Besonders wenn es um die Präsidentenwahl geht, nimmt die Suche in der Geschichte der Kandidaten skurrile Formen an und verdient immer wieder die Bezeichnung: „Schmutziger Wahlkampf“. In einer solchen Situation geht es nicht darum, den Wählern Perspektiven und Wege in die Zukunft zu zeigen, sondern darum, den Gegner aufgrund seiner Herkunft, Geschichte oder Familie so schlecht wie möglich darzustellen, kaputt zu machen, zum Aufgeben zu bewegen. Die Sünden der Vergangenheit – die natürlich oft verdeckt und vertuscht wurden – sollten in solchen Fällen ausgegraben und zum Thema Nr. 1 werden. Es scheint, dass sie in vielen Fällen keine Chance auf eine neue Zukunft bieten. Ich möchte hier nicht als der Verteidiger von den Jugendsünden stehen, aber ich möchte diese politische Haltung mit der aus den heutigen biblischen Lesungen vergleichen.
In den gerade gelesenen Texten wurde in unterschiedlichen Situationen Mut zum Aufbruch, zum Neubeginn gemacht:
– im Buch Jesaja angesichts des Exils (43, 18f) „Denk nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues.
– Im Brief an die Philipper (3, 13), vom Paulus, der sein Leben neu ausrichtet „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt“
– im Evangelium nach Johannes als Jesus der Frau eine neue Chance zuspricht (8, 11) „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und Sündige von jetzt an nicht mehr“.
Wir merken einen sehr großen Unterschied zu den gesellschafts-politischen Systemen. Gott ist anders und handelt anders. Er hat keine Geheimdienste, keine Paparazzi, keine Journalisten, die dazu da wären, die Menschen aufgrund ihrer Geschichte klein zu halten. Gott hat nicht die Absicht, dem Menschen immer und immer wieder seine sündige Vergangenheit vorzuhalten und ihm dadurch alle Chancen auf eine gute Zukunft zu verwehren. Er lädt ein, sich mit der eigenen Geschichte zu versöhnen, alles was darin schlecht war, ihm zu übergeben, hinter sich zu lassen und neue Wege zu beschreiten. Denn unser Gott ist ein Gott, der uns eine gute Zukunft schenken will, der neu durchstarten lässt, der einen Menschen nie abschreibt, sondern ihm hilft, nach vorne zu blicken. Unser Gott ist ein Gott des Neubeginns, der uns mehr vertraut, als wir uns selbst vertrauen können.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wer an Gott glaubt, darf an die Zukunft glauben. Er darf wie ein Kind sein, das das Leben vor sich hat. Er braucht sich nicht zu fürchten, dass ihm seine Vergangenheit im Weg steht, sondern kann sich auf das einlassen, was vor ihm liegt. Wer an Gott glaubt, soll wieder zum Kind werden, also seine Abgeklärtheit ablegen und sicher sein, dass Gott ihm nahe ist, mit ihm geht, ihn nicht im Stich lässt. Wer an Gott glaubt, soll das kindliche Urvertrauen in Gott wieder gewinnen und sich immer wieder neu von ihm beschenken lassen; nicht glauben, alles selber planen und erledigen zu müssen.
Ich wünsche uns allen, dass wir bereit sind, den Glauben von den Kindern zu lernen. Ich wünsche uns, dass wir wie Kinder in die Zukunft blicken, mit der Sicherheit, dass Gott uns zur Seite steht und uns immer wieder einlädt, neu in die Zukunft zu starten.
Slawomir Dadas
Pfarrer