Erneuerung des Lebens

„Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.“ (Lk 12,16-21)

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

der Sommer ist eine Zeit, in der wir mehr als sonst Möglichkeiten haben zum Genießen und zum Entspannen. Gerade heuer wird alles durch die hohen Temperaturen ein wenig entschleunigt. Niemand wundert sich, dass alles ein wenig langsamer und ruhiger verläuft. Viele Menschen nützten diese Tage, um die längst gekauften Bücher zu verschlingen. Ich hoffe, dass Sie neben den Krimis, die Sie lesen und die Sie in der Spannung halten, das eine oder das andere Märchen in die Hand nehmen, das Sie in eine andere Welt versetzt. Heute möchte ich Sie einmal in die Märchenwelt entführen und Ihnen eine Frage stellen. Sagen wir, Sie waren gestern am Attersee und haben einen Goldfisch gefangen, ja so einen mit einer goldenen Krone. Sie haben gleich gemerkt, dass Sie mit ihm das Geschäft des Lebens machen können und er hat sie gebeten, ihn frei zu lassen. Als Gegenleistung könnten Sie sich wünschen, drei Bereiche Ihres Lebens total neu zu gestalten. Was hätten Sie dabei spontan genannt? Hätten Sie Ihr Haus renoviert, weil es in den letzten dreißig Jahren die Spuren der Zeit abbekommen hat? Würden Sie sich einen neuen Job wünschen, in dem Sie mehr Zufriedenheit erfahren und noch dazu mehr verdienen können? Oder würden Sie sich einen neuen Partner und besonders brave Kinder wünschen, weil Ihnen Ihre eigenen schon so auf die Nerven gehen?

So selbstverständlich der Wunsch nach einer materiellen Verbesserung in Betracht gezogen wird, so verwerflich erscheint uns der Austausch von Menschen unserer Umgebung. Ich möchte die beiden Bereiche trotzdem nebeneinander stehen lassen, weil sie in unserer Zeit nicht selten so gesehen werden. Es gibt genug Beispiele, die leider Gottes bezeugen, dass einigen die Menschen weniger wert sind als die materiellen Güter. Mir geht es aber heute um etwas anderes. Mit dem Goldfisch verbinden wir vor allem Reichtum, Wohlstand, Macht – also eine materielle und gesellschaftliche Veränderung des Lebens. Noch mehr, wir verbinden mit ihm die Veränderung der Umgebung und nicht unseres Selbst. Denn wer würde sich vom Goldfisch mehr Fähigkeit zur Geduld, zur Liebe, mehr Gelassenheit im Bezug auf den Besitz und auf die Absicherung des Lebens wünschen? Wer sieht im Goldfisch eine Chance, durch ihn die Veränderung der eigenen Persönlichkeit und das ewige Leben zu erreichen?

All das was uns beschäftigt, worauf wir setzen, wird in der ersten Lesung: Windhauch genannt: Windhauch, das vergeht; Windhauch, das Sorgen und Ärger bereitet; Windhauch, das den Schlaf raubt.

Zur Erneuerung des Lebens ruft Paulus im Brief an die Kolosser auf. Er versteht sie natürlich ganz anders als die Märchen. Die echte Erneuerung sieht er in der Ausrichtung des eigenen Lebens auf das Himmlische und nicht auf das Irdische. Die Schamlosigkeit, die Begierde, die Habsucht bei sich zu töten und sich an dem Bild des Schöpfers, der das Leben ermöglicht, zu orientieren, macht nach seiner Auffassung das Leben richtig neu. In diesem neuen Leben sind alle Menschen gleich: Beschnittene, Unbeschnittene, Sklaven oder Freie. In diesem neuen Leben ist die Frage nach der eigenen Erlösung wichtiger, als die Frage nach der Absicherung des Lebens. Denn die echte Erneuerung ist nicht kurzsichtig, sondern führt den Menschen zu noch mehr Freiheit und zu noch mehr Gelassenheit aus der Sicherheit, dass Gott das Heil des Menschen will, schon jetzt und auch auf ewig.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

auch wenn Sie öfters zum Attersee fahren, werden Sie keinen Goldfisch fangen. Sie können aber trotzdem aus eigener Kraft Ihr Leben erneuern. Sie können sich selbst verändern, besonders in solchen Bereichen, in denen Sie zu viel am Irdischen hängen und sich zu viel um das Vergängliche Sorgen machen. Sie können gelassener werden, wenn Sie sich bewusst machen, dass Gott mit Ihnen geht, Sie begleitet und stützt.

Ich wünsche Ihnen gerade jetzt im Sommer, wo alles langsamer fließt, die Erfahrung, wie wenig man zum glücklichen Leben braucht. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in der Entschleunigung erfahren, dass es wichtiger ist, vor Gott reich zu sein, als die größte Scheune voller Getreide zu besitzen.

Slawomir Dadas
Pfarrer