Der Schatz des Glaubens

„Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen! Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. Legt euren Gürtel nicht ab und lasst eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen.“ (Lk 12,33-37)

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

haben Sie einen Safe daheim, versteckt hinter einem Bild oder im Keller, damit ihn im Fall der Fälle niemand so schnell findet? Wo bewahren Sie Ihren Schmuck auf? Hoffentlich nicht im Nachtkästchen, denn das ist eher der Ort, wo er am schnellsten zu finden ist. Und wo haben Sie die Goldmünzen versteckt, zwischen Mehl und Salz in der Küche? Laut Kriminalpolizei betrachten die meisten Menschen ihren häufigsten Aufenthaltsort als den sichersten für ihre wertvollsten Dinge. So versteckt ein Geschäftsmann das Kostbarste im Büro, die Hausfrau in der Küche, der Durchschnittsbürger im Schlafzimmer. Mir geht es heute nicht darum, Sie auszuspionieren, sondern um die Frage nach dem, woran Ihr Herz hängt. Denn im Evangelium haben wir heute gehört: „Wo Euer Schatz ist, da ist auch euer Herz“ (Lk12,34). Dieser Satz wird immer wieder bei den Hochzeiten gelesen, bei den frisch Verliebten, die noch vom Herzen „Schatzi“ zu einander sagen. Solche „Schatzis“ gibt es aber im Leben mehr: die Kinder, solange sie klein und brav sind und folgen; ein Haustier – manchmal der einzige Ansprechpartner eines einsamen Menschen, eine Sammlung von Uhren oder Münzen, die einst als Altersvorsorge angefangen wurde.

Auch wenn all das wertvoll ist, Freude macht und mit verschiedenen Emotionen und Erlebnissen verbunden ist, meint das Evangelium unter dem Begriff „Schatz“ etwas anderes. Schauen wir uns ihn ein wenig genauer an.

Zuerst muss gesagt werden, dass der Schatz des Evangeliums das irdische Leben übersteigt. Er ist weder bei den Menschen, noch bei den Dingen zu finden, er kann nicht erarbeitet, nicht geerbt und nicht gekauft werden. Er ist allen Menschen gleich zugänglich: dem berühmten Schauspieler, Sportler, Politiker auf gleiche Weise wie dem unbekannten Arbeiter oder Angestellten, dem kleinen Kind oder dem bereits altgewordenen Menschen. Denn der Schatz des Evangeliums ist ein Anteil am Leben mit Gott, oder mit einem anderen Bild ausgedrückt: ein Platz beim Tisch des himmlischen Mahles, bei dem der Her sich selbst zum Dienenden macht. Darum kann nur jemand mit ihm beschenkt werden, der eine besondere Haltung einnimmt.

Diese Haltung wird in der Bibel kurz Glaube genannt. Glaube, der nichts mit einer Gefühlsduselei und nichts mit geheimen Ritualen und Praktiken, geheimen Offenbarungen und Visionen zu tun hat. Glaube als „Feststehen in dem, was man erhofft“ (Hebr 11,1), als Nichtabweichen von dem, was in der Geschichte Gott von sich selbst Preis gegeben hat, als überzeugtes und dauerhaftes Halten an dem, was man zwar noch nicht sieht, was aber als Gottes Zusage von Generation zu Generation übermittelt wurde.

Dieser Glaube ist keine Theorie und keine bloß intellektuelle Annahme, dass es eine höhere Macht gibt. Es bedeutet kein selbstgebasteltes Sammelsurium an menschlichen Ideen, die dazu führen sollen, dass ein Leben sinnvoller, erfüllter, Energie geladener erscheint. Er bedeutet die Veränderung des Lebens, die Abwendung des Herzens von dem, was die Motten fressen und die Diebe stehlen können und Zuwendung zu dem, was droben im Himmel ist und Zeiten überdauert. Der biblische Glaube heißt manchmal wie Abraham aufzubrechen und vieles zurückzulassen, um das neue, von Gott bestimmte Gebiet zu besiedeln. Er heißt manchmal wie Sara zu hoffen, scheinbar gegen jede Hoffnung, um die Wunder des Herrn zu erfahren. Er heißt das Herz vom Materiellen zu lösen, es für die Armen zu öffnen und als wachsamer Mensch zu leben.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

was oder wer ist Ihr „Schatzi“, woran hängt Ihr Herz? Ich hoffe, dass zu den Schätzen, mit denen Sie sich beschenken lassen möchten, der Himmel – also Leben mit Gott in seinem Reich – gehört. Ich hoffe, dass Sie die Haltung eingenommen haben, die es ihnen ermöglicht, die große Gabe Gottes – die Vollendung des eigenen Lebens bei ihm zu empfangen. Ich wünsche uns allen, dass es uns immer mehr gelingt, unsere Herzen von dem zu lösen, was irdisch und vergänglich ist. Und ich wünsche uns, dass wir sie besonders daran binden können, was uns zur endgültigen Begegnung mit Gott führt.

Slawomir Dadas
Pfarrer