Erntedank

Erntedank, das vermittelt uns das Gefühl, dass die Saat, die unsere Bauern ausgesät haben, aufgegangen ist, Frucht gebracht hat. Natürlich nicht so, wie die Hoffnung war, aber doch, im Großen und Ganzen zufriedenstellend.

Erntedank, das heißt auch, dass wir uns darauf besinnen, dass nicht wir, sondern dass Gott den Ertrag gebracht hat, dass wir daran denken, dass Gott es für uns alle wieder recht gemacht hat.

Ich habe mit so einem Erntedank meine Probleme. 

Mein erstes Problem beim Begriff Erntedank ist „Ernte“. Dass nämlich Ernte noch immer so ausschließlich landwirtschaftlich verstanden wird.
Klar sind die Landwirte auf nicht beeinflussbare Dinge wie etwa das Wetter massiv angewiesen.
Aber mindestens genau so wenig beeinflussbar oder vorhersehbar sind wirtschaftliche Entwicklungen, Börsenkrachs, Wahlausgänge, Förderstrategien oder auch Wetterkatastrophen, die bei weitem nicht nur Landwirte betreffen.
Vom nicht Vorhersehbaren, vom nicht Beeinflussbaren sind heute nicht mehr nur die Landwirte abhängig sondern längst alle Menschen.

Ernte soll daher nicht nur der Rückblick des Bauern sein, wie weit seine Saat aufgegangen ist, sondern viel mehr ein Rückblick von uns allen, wie weit unsere Saat aufgegangen ist.

Unsere Saat, das kann vielleicht das richtige Wort in der speziellen Situation sein, oder die spontane Zuneigung zu einem, der gerade in Not ist, oder ein gefasstes Vorhaben, das gelungen ist, oder auch nicht. Ernte ist auch der Rückblick darauf, ob wir überhaupt etwas gesät haben. Ganz einfach, ob wir etwas getan haben, dass unsere Welt, unsere Gemeinschaft, dass WIR besser werden. Und ein Rückblick darauf, was davon aufgegangen ist. Mit unserer Hilfe, oder vielleicht auch trotz allem ohne unser Zutun.

Mein zweites Problem beim Begriff Erntedank ist „Dank“.
Das mag jetzt befremdlich klingen.
Natürlich haben wir allen Grund, Gott zu danken. Er hat nicht nur uns geschaffen, sondern auch unsere Welt, unsere Umgebung, unsere Möglichkeiten.
Nur, wenn wir konkret danken für die gelungene Ernte, oder dafür, dass es uns gut geht, dann wird es schwierig.

Wofür danken die Menschen in Äthiopien, in Afghanistan, in Somalia, im Gazastreifen?
Wofür danken die, die ihre Lieben beim Tsunami in Thailand oder bei den Hurrikans um New Orleans  verloren haben.
Wofür danken Eltern, die ihr Kind bei einem Autounfall verloren haben
und wofür dankt der junge Mensch, der dieses Auto gefahren hat?

Wenn wir mit unserem Dank in Gott den Grund finden für unser persönliches Glück, für unseren persönlichen Erfolg, dann geben wir ihm notwendigerweise auch die Schuld am Elend anderer Menschen, an den Bürgerkriegen, an der brutalen Ausbeutung durch die großen Konzerne, an der Feigheit und dem Opportunismus unserer Regierungen. Wir geben ihm die Schuld an geologischen Ereignissen genau so wie an dem unfassbaren persönlichen Unglück, das manche Menschen erleiden müssen.

Und das kann nicht sein. Ich wehre mich gegen dieses Gerede von: „wie kann Gott so etwas zulassen“.
Und ich wehre mich gegen dieses unsägliche Bild von einem strafenden Gott.

Was kann Gott dafür? Lassen sie sich so einen Gott bitte nicht einreden. Gott führt uns nicht am Schnürchen wie ein Marionettenspieler.Unser Gott ist ein liebender Gott, und darum, weil das gar nicht zu trennen ist, ist unser Gott ein mitleidender Gott.

Danken wir Gott, immer wieder. Für unser da sein, für die wundervolle Welt, die er uns geschaffen hat.
Und lasst uns das uns Mögliche tun, um denen beizustehen, die gerade nicht danken können.