„Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“ (Lk 18,7-8)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der Begriff „Nachhaltigkeit“ entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Modewort. Er stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass man nicht mehr Holz fällen darf, als nachwachsen kann. Seit den achtziger Jahren wird er im Zusammenhang mit der Umwelt und insbesondere mit der Nutzung der Energieressourcen verwendet und im 21-ten Jahrhundert ist er zu einem „Gummiwort“ geworden, das überall gut passt; so spricht man von einer nachhaltigen Kundenbindung, von nachhaltigen Finanzsystemen oder von nachhaltigen Wirtschaftsstrukturen.
Wenn man den Begriff wirklich ernst und nicht als Wahlversprechen der Politik und nicht als Imageaufbesserung der kaputten Systeme nimmt, dann wird man feststellen, dass er wichtige Inhalte transportiert. Denn er richtet unseren Blick in die Zukunft, macht bewusst, dass es auch Konsequenzen gibt, wenn falsch gehandelt wird, ja er macht darauf aufmerksam, dass im Leben nicht alles gut ausgehen muss.
So sehr von der Nachhaltigkeit imAlltag gesprochen wird, so wenig wird sie im Glaubensleben berücksichtigt. Denn wer überlegt, ob sein Glaubensleben nachhaltig gepflegt und gehegt wird? Wer teilt seine religiösen Praktiken so auf, dass sie ihn viele Jahre in die Zukunft tragen? Ich kenne eher den umgekehrten Fall, den, der verbrauchten religiösen Ressourcen. Vor einigen Jahren erklärte mir ein ehemaliger Ministrant: er brauche jetzt nicht mehr in die Kirche zu gehen, weil er als Kind schon so oft gegangen sei.
Heute im Evangelium, in der Auseinandersetzung mit der Ausdauer beim Gebet haben wir den Satz gehört: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“ (Lk 18,8). Eine Frage, die viele Untergangspropheten dazu nützen, unsere Zeit, als Endzeit zu betrachten. In den gerade gehörten Lesungen geht es aber nicht darum, jemandem Angst zu machen, sondern um eine echte Sorge um den Glauben.
Der Glaube ist wie ein lebendiger Organismus. Wenn man ihn nährt, wächst er, wenn man sich um ihn nicht kümmert, kann er verschwinden. Und wenn gerade in unserer Zeit bemerkt wird, dass der Glaube nicht mehr einen solchen Stellenwert hat, wie früher, dann kann ohne weiteres geantwortet werden: weil er nicht nachhaltig gepflegt wurde. Im Glauben geht es nicht um ein paar schöne Bräuche, nicht um ein paar Feste, die den Alltag unterbrechen oder den Kindern eine besondere Freude machen. Im Glauben geht es um das tägliche Vertrauen, dass Gott mit mir geht, mich beschützt und mich zum Heil führen will. Im Glauben geht es um die Beziehung zu dem, der sich in der Geschichte erkennen ließ; als Ursprung des Lebens, als einziger Erlöser von der Schuld und vom Tod, als Gründer der Gemeinschaft, die aus der Liebe, der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit leben soll. So versteht es sich von selbst, dass die Nachhaltigkeit im Glauben nur dort vorhanden ist, wo all das regelmäßig gepflegt wird.
Heute werden wir durch die Lesungen herausgefordert und gefragt: Wie nachhaltig pflegst Du Deinen eigenen Glauben und den Glauben in der Gesellschaft? Was machst Du dafür, dass er wächst, oder zumindest dafür, dass er nicht abnimmt? Was sind die Quellen, die ihn stärken und Dich und Deine Umgebung auch in die Zukunft tragen?
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
weder die Taufe, noch eine Nikolaus- oder Martinsfeier, noch die Erstkommunion und die Firmung sind magische Handlungen, die dem Kind oder dem Jugendlichen die Erhaltung des Glaubens garantieren. Sie sind nur kurze Stationen, die uns bewusst machen, dass Gott mit uns geht, und uns begleitet. Beiträge zum nachhaltigen Glauben sind dort, wo die Heilige Schrift gelesen wird, wo Leben, Tod, Auferstehung und Verherrlichung Jesus gefeiert werden, wo Menschen beten und zum Gebet miteinander zusammenkommen, wo im Namen Jesu Menschen in allen möglichen Nöten zur Seite gestanden wird.
Ich wünsche uns allen, dass wir bereit sind, zur Nachhaltigkeit im Glauben einen Beitrag zu leisten. Ich wünsche uns, dass wir uns aktiv dafür einsetzen, dass der Menschensohn auf der Erde einen starken und lebendigen Glauben vorfindet, wenn er wieder kommt.
Slawomir Dadas
Pfarrer