Diese Frage beschäftigte die Gemüter vieler Frauen, die der Einladung der Katholischen Frauenbewegung zum Einkehrnachmittag nachgekommen sind.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16) war der Stein des Anstoßes, um über göttliches und menschliches Gerechtigkeitsempfinden nachzudenken.
Menschliche Gerechtigkeit im Sinne von Justitia, der griechischen Göttin, ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Wir leben in Strukturen und müssen Gesetze einhalten. Justitia sollte aber nicht die einzige Gerechtigkeit sein, die wir erfahren und nach der wir handeln. Denn die göttliche misst und verurteilt nicht nach Leistung, sondern sie geht auf die Bedürfnisse jedes Menschen ein: sie zeigt sich in jeder Freundschaft, in allen Beziehungen, im Teilen, im Gut-Sein, in der ehrenamtlichen Arbeit und in vielem mehr.
Gerade die Schriftstellen der bevorstehenden Adventzeit geben Zeugnis von der göttlichen Gerechtigkeit. Gott hat der Welt seinen Sohn geschenkt, um sich auf die Seite der Schwachen und Armen zu stellen und dadurch den Weg zum gerechten Ausgleich zu zeigen. In Jesus erfahren wir, wie erfülltes Leben sein sollte, wie es gelingen könnte. Gott handelt aber nicht anstelle von uns, sondern er ruft uns zur Nachfolge Jesu auf.
In Gruppenarbeiten und Fragen zeigte sich, dass die göttliche Gerechtigkeit mit dem menschlichen Verständnis nicht unbedingt kompatibel ist. Interessant war, dass sich die meisten Frauen mit jenen Arbeitern, die am längsten gearbeitet haben, identifizierten und mit ihnen mitfühlten. Warum das so ist? „Weil wir glauben, dass wir so gut sind“, meinte Pfarrer Dadas. Ein Perspektivenwechsel könnte den eigenen Blickwinkel verändern.
Es wurde auch die Frage gestellt, warum manche tiefgläubige Menschen ein sehr schweres Leben mit vielen Schicksalsschlägen haben und andere wiederum, die sich selbst am nächsten sind, glücklich in Saus und Braus leben können. Und dann beiden das Himmelreich offen stehen kann. Ist das gerecht? Hier muss man sagen, dass der Glaube kein Schutz ist; er nimmt niemand heraus aus dem Elend der Welt. Gläubige Menschen haben allerdings in schweren Situationen eine Stütze in Gott, was den anderen fehlt.
Der Besinnungsnachmittag mit dem Anspruch zum Weiterdenken klang mit der gemeinsamen Eucharistiefeier aus.
Fotos: Gaby Eichberger, Maria Greinöcker