„Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.“ (Tit 2,11-14)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
im zu Ende gehenden Jahr fand die Wahl zum Nationalrat statt. Die alten Parteien versuchten ihre Programme aufzufrischen, um jüngere Wähler erreichen zu können. Zu den größten Überraschungen gehörten aber die neuen Fraktionen, die auf Anhieb den Sprung ins Parlament geschafft haben. Wenn das so einfach sein sollte, könnte man auf die Idee kommen, selbst eine Partei zu gründen.
Ich hätte auch schon ein Programm und würde es Ihnen gerne präsentieren, diskutieren und Ihre Meinung dazu hören, ob wir damit eine Chance hätten. Sagen wir das Programm wäre kompakt und kurz, aber dafür ganz leicht zu merken:
Wir sind dafür:
• dass wir uns von der Gottlosigkeit und von den irdischen Begierden lossagen
• dass wir besonnen, gerecht und fromm leben.
Haben Sie dabei ein gutes Gefühl? Sie schauen ein wenig verdutzt. Glauben Sie nicht, dass man damit gewinnen könnte? Der Text ist nicht meine Erfindung, sondern er stammt aus der Liturgie des heutigen Weihnachtsfestes. Laut Umfragen feiern 84 % der Österreicher Weihnachten. Haben Sie nicht gehört, dass seit zwei Tagen alle Zufahrten zu den Einkaufszentren verstopft waren, weil sich so viele Menschen auf das Fest vorbereiten wollten? Diese müssten also ein solches Programm wählen.
Ich merke, Sie glauben genau so wenig daran wie ich. Und ich glaube, dass wir uns darüber einig sind, dass viele Menschen sozusagen „Weihnachten feiern“, ohne über den Inhalt des Festes nachzudenken oder informiert zu sein. Aber dieser ist brisant und könnte ohne weiteres politisch eine Bedeutung haben.
Denn er spricht von Gott der kommt, um alle Menschen zu retten; nicht nur die Reichen, nicht nur die Satten, nicht nur die Erfolgreichen.
Er spricht vom Kind, das den wahren Frieden einrichten wird; ohne Waffen, ohne Gewalt, ohne Macht.
Er spricht von Gott, der erschienen ist, damit sein Volk – also wir alle – voller Eifer danach streben, das Gute zu tun.
Und Gott geht einen besonderen Weg, um all das zu erreichen. Er gründet keine Partei. Er verändert sein Programm nicht, auch wenn die Marktforschung ihm das empfohlen hätte. Er setzt auf das Wesentliche im Leben: auf die Einfachheit und auf die Zuwendung. Denn der Wunsch nach Zuwendung begleitet jeden Menschen sein Leben lang. Wie ein Neugeborenes vor allem die Wärme und den Schutz der Mutter und des Vaters braucht, so sehnt sich jeder Mensch nach glücklichen Beziehungen, nach Freundschaften und am Ende des Lebens nach einer Hand, die seine hält. Und die Voraussetzung dafür ist die Einfachheit. Denn erst dort, wo ihr ein Platz eingeräumt wird, wo einem Menschen wie einem Kind also frei vom Prestige, von der Position, vom Geld begegnet wird, erst dort ist die wahre Zuwendung möglich.
Gott setzt auf Einfachheit und auf Zuwendung, auf ein Leben ohne materielle Götzen, die das Wesentliche – also die Besonnenheit, die Gerechtigkeit und die Frömmigkeit – verstellen. Gott setzt auf Beziehungen zu den Mitmenschen die unverstellt auf einander zugehen und unverstellt einander zur Seite stehen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
eine Veränderung zum Guten geschieht nicht dort, wo jemand schöne Reden hält, oder das eigene Programm der öffentlichen Meinung anpasst, um möglichst viele Sympathisanten zu gewinnen, sondern dort, wo die Menschen wie Gott zu Weihnachten sein wollen; einfach und liebevoll einander zugewandt; unverstellt und auf einander bezogen, bereit einander zu wärmen. Eine Veränderung zum Guten geschieht nur dort, wo Menschen für einander wie Engel sein wollen, also wie Boten der Botschaft Gottes, der Botschaft von der Liebe und vom Frieden. Und endlich eine Veränderung zum Guten geschieht nur dort, wo Menschen einander Heimat schenken, also Räume der Geborgenheit schaffen, wo sie vom Herzen miteinander verbunden sind.
Ich wünsche uns allen, dass uns die Botschaft von der Weihnachtsnacht mit ihrem Sinn und mit ihrem Anspruch erreicht. Ich wünsche uns, dass wir bereit sind,wie Gott zu Weihnachten die Welt zu verändern; indem wir in Einfachheit und in Zuwendung zu Boten der Liebe Gottes und zur Heimat für andere werden.
Slawomir Dadas
Pfarrer