Kundenbindung

predigt2„Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung! Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?“
(Jes 55, 1 – 2)

 

Liebe Schwester, liebe Brüder,
das Einkaufen gehört zu unserem Alltag, aber in den letzten Jahren lassen sich in diesem Bereich große Veränderungen beobachten. Sind wir noch vor 20 Jahren ins Geschäft gegangen, weil wir etwas gebraucht haben, wird jetzt das Shoppen zur Freizeitgestaltung, zum Erlebnis. Die Ästhetik, die Kundenbindung durch Kundenpässe spielen dabei eine wichtige Rolle. Weil man zumindest im Bereich der Nahrungsmittel fast überall das gleiche bekommt, ist man auch nicht mehr gebunden an das eine oder das andere Geschäft und kauft oft zufällig im Vorbeifahren. Die Bequemlichkeit und nicht die Qualität der Ware entscheidet oft darüber, wo eingekauft wird.

Auf der anderen Seite steht eine ganze Maschinerie dahinter, die versucht, das Kundenverhalten zu erforschen und den Kunden das zu bieten, wofür sie ihr Geld lieber ausgeben. Die Werbung, die Preissenkungen, die Dauerangebote laden ein und leeren die eine oder die andere Tasche, füllen aber dafür das Haus mit nicht selten unnützen Dingen. Weil das Geld scheinbar da ist, wird gekauft, ohne viel darüber nachzudenken, ob es notwendig ist oder nicht. Man kann manchmal das Gefühl bekommen, dass einige ohne Einkaufen nicht leben könnten: Sie könnten krank werden, wenn man es ihnen verbieten würde.

Auf diesem Hintergrund klingen die Worte des Propheten Jesaja wie eine Werbung der Konkurrenz: „Kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung! Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?“ (Jes 55, 1-2) Wenn man den Text zuerst nur soziologisch deutet, dann könnte man zur Überzeugung kommen, dass die Religion schon immer im Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft gestanden ist. Scheinbar waren die Probleme und Themen zur Zeit des Propheten Jesaja nicht viel anders als heute. Der Mensch wollte bereits zu jeder Zeit und in jeder Epoche kein leeres, sondern ein erfülltes Leben haben. Der Mensch will das Gefühl haben, dass er nicht hungert, dass er satt ist, dass er an dem teilhaben kann, was ihm als Ganzem gut tut. Dazu gehören auch die Körperverpflegung, also auch die Nahrungsmittel und die materielle Absicherung.

Das Materielle kann aber auf Dauer die Seele nicht ernähren – und genau das spricht Jesaja an. So wie der Körper eine Nahrung braucht, braucht die Seele eine andere. Diese kann weder mit Geld gekauft noch mit Mühen erarbeitet werden. Sie ist ein Geschenk Gottes an alle, die sich ihm öffnen. Denn Gott will die Fülle des Lebens für jede und jeden. Er will das Glück des Menschen für den Augenblick und für die Ewigkeit. In Jesus Christus haben wir die Zusage, dass er der Gott der Liebe, der Vergebung, der Barmherzigkeit und der Vollendung des Lebens ist. Er ist die Quelle, die zum Leben führt.

Wer das erkennt und danach das Leben ausrichtet, kann mit Paulus sagen: Weder Not noch Verfolgung, weder Gefahr noch der Tod können uns von Christus – der Quelle des Lebens trennen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
im Glauben geht es nicht um die Ästhetik, nicht um eine krampfhafte Kundenbindung. Es geht auch nicht darum, im Konkurrenzkampf zu stehen, sondern darum, den Menschen bewusst zu machen, dass nicht nur ihr Leib, sondern auch ihre Seele Nahrung braucht. Im Glauben geht es darum, unterscheiden zu lernen, was die wahre Quelle des Lebens ist und wodurch ich einen dauerhaften Mehrwert des Lebens erreichen kann.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, immer mehr zum Leben in Fülle zu finden. Ich wünsche uns, dass wir gut unterscheiden können zwischen dem, was unser Körper und dem, was unsere Seele braucht, um wirklich glücklich zu sein.

Slawomir Dadas,
Pfarrer