„Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.“ Ex 23,9
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
das Wort „Ausländer“ ist zuerst eine Bezeichnung für einen Menschen, der aus einem Gebiet stammt, das von meinem durch eine Grenze getrennt ist. Die natürlichsten von ihnen sind Flüsse, Berge oder das Meer. Ebenfalls die Hautfarbe, die Kultur, die Sprache aber auch die Ess- und Alltagsgewohnheiten gehören für einige zu deutlichen Unterscheidungsmerkmalen zwischen den In- und Ausländern. In unserer Zeit der Globalisierung wurden diese alten Grenzen ein wenig aufgeweicht, was aber nicht bedeutet, dass damit auch die Problematik weniger geworden ist.
Da wir heute den Sonntag der Völker feiern – früher auch Ausländersonntag genannt, möchte ich Sie dazu einladen, über den Begriff und die Inhalte des Ausdrucks „Ausländer“ mit mir nachzudenken.
Sie kennen vielleicht die Peinlichkeit eines ehemaligen Innenministers, der einen der besten österreichischen und noch dazu in Wien geborenen Fußballer David Alaba auf English ansprach, weil dieser dunkelhäutig ist. Sie bekommen die Debatten mit, die derzeit gerade geführt werden: über die Quoten und über zu wenige Plätze für die Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten aus Syrien und aus dem Irak. Wir alle kennen die Probleme der Welser Stadtteile, in denen zu wenig Integration geschieht und wissen, was damit zusammenhängt, nämlich dass die hier geborenen Kinder Österreich nicht als ihre Heimat empfinden.
Wir feiern den Sonntag der Völker, weil wir auf diese Probleme aufmerksam machen wollen und sie weder leugnen noch verharmlosen. Wir wollen im Gebet an die Menschen denken, die in Österreich bereits eine neue Heimat gefunden haben und an die, die diese hier suchen.
Weiters wollen wir uns bewusst machen, dass die Kirche, die Jesus nachfolgt, den Begriff Ausländer nicht kennt. Jesus betont zwar immer wieder seine Sendung zu den Menschen aus dem Haus Israel, er ist aber bereit, die Grenzen zu den anderen zu überschreiten – wie zu den Samaritern in verschiedenen Begegnungen. Mit dem Paulus ist die Kirche im Sinne Jesu katholisch also – für alle Völker – allumfassend geworden – weil sie Israel verlassen hat und sich den Menschen anderer Kulturen zugewandt hat. Gerade uns als Kirche muss immer wieder neu bewusst werden, dass wir ein Haus mit sehr vielen Zimmern sind, in dem alle Sprachen, Hautfarben, Kulturen, Ess- und Alltagsgewohnheiten genug Platz haben.
Endlich in einer globalen Welt werden wir den Begriff „Heimat“ neu definieren müssen. Denn wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung, dass man einen Österreicher an Lederhosen und eine gute Österreicherin am Dirndl erkennen kann. Wir würden der Realität nicht entsprechen, wenn wir allen, die Pizza oder Hamburger mehr als Bratwürstl mit Sauerkraut mögen, vorwerfen dass sie keine waschechten Österreicher sind. Auf der anderen Seite liegt der Sinn der Freiheit und Toleranz nicht darin, alles was kulturell gewachsen ist, aufzugeben und sich dem globalen Diktat anzupassen. Da sind wir als Bürgerinnen und Bürger gefragt, den Begriff „Heimat“ in einer neuen Zeit neu zu definieren.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
am Sonntag der Völker sollte es uns bewusst werden, dass ein Christ keine Angst vor der Vielfalt und vor der Verschiedenheit haben muss. Ein Christ kann nicht ein Anhänger von totalitären Systemen sein, die alle Unterschiede als Bedrohung empfinden und sie bekämpfen. Für einen Christen sind die Grenzen überwindbar, in der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. Ich wünsche uns allen, dass wir im Geist der Einheit in Vielfalt leben und arbeiten. Ich wünsche uns, dass wir Verschiedenheit als Bereicherung sehen, auch wenn sie uns manchmal herausfordert, weil sie unsere Gewohnheiten in Frage stellt. Und endlich wünsche ich uns, dass wir uns hier auf der Erde ein wenig fremd fühlen, weil unsere wahre Heimat bei Gott im Himmel ist.
Slawomir Dadas, Pfarrer