Wenn ich unsere Firmlinge frage, ob sie die 10 Gebote auswendig können, da haben sie Schwierigkeiten. Nur ein paar kriegen sie auf die Reihe.
Wenn Sie gefragt würden, ob Sie die 10 Gebote auswendig können, ich glaube, auch da hätten viele Probleme. Wir haben sie heute zweimal gehört. So allgemein präsent sind sie nicht mehr. Trotzdem sind sie in ihrem Wert und in ihrer Gültigkeit unbestritten.
Es lohnt sich aber, die 10 Gebote einmal ein bisschen nähr unter die Lupe zu nehmen. Und dann merken Sie auf einmal, wie aktuell sie auch heute noch sind. Ich kann jetzt nicht alle Gebote lange durch gehen, da bräuchte ich viel mehr Zeit dafür, aber wenigstens ein paar Akzente.
Das erste Gebot: Du sollst neben mir keine fremden Götter haben. Was merkwürdig ist: dieses erste Gebot kommt bei uns praktisch nicht mehr vor. Ein ältere Kollege erzählte: Ich bin 40 Jahre Priester und habe viele Beichten gehört. Ich glaube, es hat keine fünfmal gegeben, wo jemand bei der Beichte gesagt hat, dass er sich gegen das erste Gebot versündigt hat. Kommt nicht mehr vor. Wenn Sie wissen wollen, was unsere Götzen sind, die wir neben Gott haben, dann brauchen wir auf eine Frage nur ehrlich zu antworten: Für wenn oder was bringe ich Opfer heute? Woran hänge ich mein Herz? Nur eine Redensart in diesem Zusammenhang: Was bedeutet es, wenn wir von einem Menschen sagen: für Geld tut er alles? Für die Kariere tut er alles. Er opfert sogar seine Familie. Oder anderes Beispiel: im Alten Testament gab es die ganz schlimme Sitte bei den heidnischen Völkern, dass man Kinder verbrannte als Feueropfer. Da hat man Kinder geopfert. Wie viele Kinder werden heute geopfert, hier bei uns in unserer Gesellschaft? Praktisch geopfert dadurch, dass man Abtreibung begeht. Im Grunde steht oft dahinter, meine Ausbildung, Karriere ist mir wichtiger. Oder ist die Arbeit dein Götze, weil ja nur zählt, was man im Leben leistet? Und was wird dann aus dir, wenn du nichts mehr leisten kannst? Wer ist der Herr deines Lebens? Du selbst? Deine Triebe? Oder das Bedürfnis, anderen zu gefallen?
Ein weiteres Gebot: Gedenke, dass du den Tag des Herrn heilig hältst. Halten wir den Tag des Herrn wirklich heilig? Ist der Sonntag wirklich ein Tag, der für Gott reserviert ist, wo wir alles dran setzen um Gott näher zu kommen oder ist der Sonntagsgottesdienst für uns Sonntagspflicht?
Ein anderes Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren. Ehren wir wirklich unsere Eltern, wenn sie alt geworden sind? Wenn sie nicht mehr vernünftig essen können, wenn sie dement geworden sind? Erweisen wir ihnen noch Achtung und Ehre? Bedenke, auch du wirst älter.
Nächstes Gebot: Du sollst nicht morden. Wir haben noch keinen umgebracht. Aber überlegen wir einmal, was solche Redensarten bedeuten: einen anderen mundtot machen. Oder: der ist für mich gestorben; oder: wenn Blicke töten könnten. Vielleicht gilt dieses Gebot doch auch für uns.
Du sollst nicht Ehe brechen. Zerbrich sie nicht leichtfertig. Zerstöre auch eine fremde Beziehung nicht. Du sollst die Ehe schützen. Was tun wir eigentlich zum Schutz unserer Ehe und Beziehung?
Du sollst nicht falsch aussagen, nicht lügen. Du sollst nicht begehren, die Frau deines Nächsten, Hab und Gut deines Nächsten. Da geht es um unsere Gedanken um unsere Gesinnung.
Nicht als Einschränkung, nicht als Verbote waren sie gemeint –sondern als Wegweiser, als Anleitungen, Orientierungshilfen, die die Menschen zu einem Leben in Freiheit führen sollten. Die Gebote dienen dem Leben, sie fördern das Zusammenleben, sie sichern Gegenwart und Zukunft für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Sie dürfen uns nicht verloren gehen, diese Weisungen. Gerade in einer Welt, in der scheinbar nichts mehr heilig ist, wo es keine verpflichtenden Werte mehr zu geben scheint. Es liegt an uns, die Gebote Gottes zu achten und zu bewahren. Und sie weiterzugeben, an unsere Nachkommen, sie ihnen „ins Herz“ zu schreiben. Damit sie gut leben können.
Niko Tomic, Kaplan