Schwestern und Brüder im Herrn!
Zur Zeit Jesu bestand der jüdische Verhaltenskodex aus einer Vielzahl von Geboten und Gesetzen, die der einfache Mensch wegen ihrer Unüberschaubarkeit nicht mehr erfüllen konnte.
Im Evangelium (Mt 22,34-40) hören wir nun, dass ein Gesetzeslehrer Jesus nach dem wichtigsten Gebot fragt. Die Antwort Jesu ist eindeutig: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Die Antwort Jesu bedeutete nichts Neues, er fügt nur zusammen, was im Alten Testament in zwei verschiedenen Büchern steht: im Buch Levitikus und im Buch Exodus.
In der ersten Lesung (Ex 22,20-26) des heutigen Tages wird klar gesagt, was unter Menschen nicht passieren soll, und in der zweiten Lesung (1 Thess 1,5c-10) lobt Paulus seine Christengemeinde in Thessaloniki wegen ihres Glaubens und der Liebe, mit der Probleme überwunden werden. Das sprach sich schon damals herum!
Zwischen Gottes- und Nächstenliebe kann es keine Konkurrenz geben, denn Gott finden, das geschieht im Mitmenschen! Gott wird nicht geliebt, wenn Bruder oder Schwester missachtet, ausgegrenzt oder ausgenützt werden. Der barmherzige Gott hört auch heute die Schreie der Hilflosen und Rechtlosen und der Flüchtlinge, die niemand aufnehmen will! Könnten die einfachen Regeln der ersten Lesung nicht auch heute unser Zusammenleben erleichtern? Vergessen wir auch nicht, dass von 1938 bis 1955 andere die Macht in unserem Land ausübten und viele Mitbürger flüchten mussten, um ihr Leben zu retten.
Das „magische Dreieck“ der Liebe heißt: Gott – du – ich!
Gott lieben bedeutet, unsere Liebe nicht aufteilen zwischen Gott und den vielen Götzen unserer Zeit (Geld, Besitz, Macht …).
Die Liebe zum Nächsten muss mehr durch Taten als durch Worte erfahrbar werden und ist umso schwieriger umzusetzen, je näher mir der andere ist. In einem Liedtext heißt es: „Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten!“ Barmherzigkeit mit mir selbst, mit meinen Schwächen und meinem Schatten, und die eigenen Gaben dankbar annehmen – zu solcher Selbstliebe will uns Gott führen!
Die Bibelstellen des heutigen Tages wollen uns verdeutlichen, wie das Doppelgebot der Liebe erfüllt werden kann. Wer dem Mitmenschen ein verlässlicher Partner ist, der vermag auch dem zu vertrauen, der das Dasein verspricht und Sinn gibt, wenn menschliche Hilfe am Ende ist.
Josef Bernögger, Diakon