Ich glaube, dass jeder von uns schon in einem Marienwallfahrtsort war.
Vielleicht können Sie sich an die Frömmigkeit der Pilger erinnern, denen sie dort begegnet sind. Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche, Gesunde, Kranke kommen zur Mutter Gottes und tragen ihr ihre persönlichen Anliegen vor.
Ob Mariazell, Altötting, Lourdes, Fatima – überall das gleiche Bild. Menschen aller Generationen, aller Bildungsschichten werden zu einfachen und schlichten Betern. Die Pilger umrunden, teilweise kniend, diese Gnadenorte, und beten um Hilfe in ihren Sorgen und Nöten.Bitten und Danken scheint an diesen Orten nie zu verstummen, und wer in die Gesichter der Wallfahrer schaut, wird bemerken, dass sie etwas von dem begriffen haben, was wir heute feiern.
Das Hochfest heute stellt Maria in den Mittelpunkt. Mit der Kirche bekennen wir, dass Maria durch Gottes Gnade von aller Schuld unversehrt geblieben ist. Das konfrontiert uns mit einem hohen Anspruch, der Gläubige staunen und sich wundern lässt.
Das Geheimnis dieses Festes kann uns nur etwas sagen, wenn wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. „Reinheit von aller Sünde“ und „Jungfräulichkeit“ waren Voraussetzungen dafür, dass Gott in Jesus Christus Mensch werden konnte. In dieses Geheimnis wurde Maria hineingenommen. Nur so konnte Gott zur Welt kommen. Mit dem Verstand können wir nicht immer Gottes Wirken und seine Taten erklären und verstehen. Es bleibt ein Geheimnis.
Gott ist Mensch geworden. Das darf aber nicht nur ein Glaubensereignis von vor 2000 Jahren bleiben. Gott muss auch heute Mensch werden-durch uns.
Ist das nicht unsere Sehnsucht? Eine Sehnsucht, die sich verstärkt, wenn wir merken, dass Gott und seine Gebote aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Eine Sehnsucht, die umso größer wird, wenn uns bewusst wird, dass wir trotz aufrichtiger Bemühungen kaum noch in der Lage sind, den Glauben an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Eine Sehnsucht, die drängender wird, wenn wir zu der Einsicht kommen, dass wir im eigenen Leben Bereiche aufweisen, in denen unser Glaube nicht mehr greift.
Wir feiern Maria. Sie hat am getreusten getan, was Jesus gefordert hat. Wenn die Evangelien von ihr sprechen, wird sie als jene geschildert, die Gottes Wort gläubig aufnahm, es im Herzen bewahrte und in ihrem Leben umsetzte. Von Nazareth bis Golgota ist sie zu ihrem Jawort gestanden: Mir geschehe nach deinem Wort…
Nichts anders erwartet Gott auch von uns:
ein Leben aus dem Glauben, auch dann, wenn es dunkel wird um uns in Krankheit und Sorge, in der Einsamkeit des Alters, in Enttäuschungen;
ein Leben aus dem Glauben, wenn die Fundamente des Glaubens zu wanken scheinen, wenn wir meinen, nicht mehr beten zu können, wenn wir allein stehen mit unserem Glauben in einer Welt der Gleichgültigkeit und Verwirrung;
ein Leben aus dem Glauben, wenn wir meinen, vor den Trümmern unseres Lebens zu stehen, wenn unser Leben seinen Sinn verloren zu haben scheint.
In solcher Not haben Christen von jeher auf Maria geschaut, sie haben bei ihr Zuflucht genommen. Sie haben ihr als Fürsprecherin und Helferin vertraut. Sie, die „voll der Gnade“ war, und doch den Weg des Glaubens gegangen ist, möge uns helfen, den rechten Weg zu finden, der zu Jesus führt. Sie möge uns den Mut, die Kraft und die Geduld erbitten, diesen Weg nicht nur zu sehen, sondern auch zu gehen.
Mit Millionen Wallfahrern, die Tag für Tag auf der ganzen Welt zu Maria pilgern, sagen wir: Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns.
Niko Tomic, Kaplan