„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ (Lk 2,10-12)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
da Weihnachten eine Zeit der Liebe und des Friedens ist, möchte ich Ihnen heute ein Kompliment machen. Ich werde nicht ins Detail gehen und nicht alle Ihre Vorzüge von vorne bis hinten nennen, aber ich möchte trotzdem netter sein als sonst. Also, es ist schön, dass heute einige so süße Kinder in die Mette gekommen sind. Besonders freut es mich, dass so viele schön geschminkte Frauen mit tollen Frisuren und so viele fesch angezogene, knackige Männer da sind. Natürlich möchte ich die coolen, leicht gelangweilten Jugendlichen ebenfalls erwähnen, auch wenn sie nicht unbedingt darauf stehen, dass sie bemerkt werden, weil es möglicherweise nicht ganz cool ist, in die Kirche zu gehen. Schön, dass ihr alle da seid!
Fühlen Sie sich jetzt besser oder schlechter als sonst? Glauben Sie, weil Sie mich schon ein wenig kennen, dass ich Sie gerade „auf die Schaufel“ genommen habe? Nein, das habe ich nicht getan. Das, was ich sagte, habe ich ganz ernst gemeint, aber ich habe Sie reduziert: die Erwachsenen auf Ihr Aussehen, die Kinder und die Jugendlichen auf die gängige Erwartung, wie sie zu sein haben. Ich habe Sie aus zwei Gründen reduziert. Zum ersten, weil Weihnachten ein Fest der Reduktion des Lebens auf das Wesentliche ist und zum zweiten, weil wir uns viel zu oft im Leben auf Nebensächlichkeiten reduzieren lassen.
Die Krippe stellt das Wesentliche des Lebens dar. Viele Menschen unserer Zeit suchen das Leben dort, wo viel Lärm und viel Konsum ist, wo anonyme Massen aneinander vorbeiziehen, ohne sich richtig wahrgenommen zu haben, wo der Mensch das Geld ausgibt, um das Gefühl zu haben, in der Gesellschaft etwas zu gelten.
Die Krippe ist ein Gegenteil davon. Drei Menschen, die auf einander reduziert sind; die sich wärmen, die einander in die Augen schauen, die für einander da sind. In der Krippe gibt es keine Ablenkung, es gibt kein „ich muss jetzt was anders tun, ich muss noch g’schwind etwas erledigen, mich dem virtuellem Freund mitteilen“. In der Krippe ist jeder wichtig, jeder ist unabkömmlich. Da drinnen geht es nicht um den Besitz, nicht um das Mithalten mit den geltenden Standards und nicht um die äußere Erscheinung, sondern um die Nähe Gottes zu den Menschen, und der Menschen zueinander und zu Gott. Erst in dieser Reduktion lässt sich diese Nähe so besonders spüren. Erst dort, wo man nicht abgelenkt wird von Jingle Bells und vom Gewicht der obligatorischen Geschenke, erfährt man, wie weit oder wie nahe man an Gott und an den Menschen ist.
Weiters macht uns die Krippe bewusst, dass wir uns selbst viel zu oft auf das Unwesentliche reduzieren lassen; auf das Aussehen, auf die gebrachte Leistung, auf den erworbenen Besitz. In der Krippe gibt es zu wenig Platz für den Schmink- und Beautykoffer, oder für die Statussymbole wie die Markenkleidung, den großer Fernseher, das neueste Smartphone, oder das geliebte Auto. In der Reduktion der Krippe entdecken wir, was im Leben wirklich zählt, was wichtig und entscheidend ist. Sie stellt uns die Frage: Wer bist Du, wenn Du ohne Makeup, ohne Anzug und Krawatte bei der Abendtoilette vor dem Spiegel stehst? Woher schöpfst Du Deinen Wert, wenn Du nicht zeigen musst, was Du noch im Stande bist zu leisten. Die Krippe fragt nach unserem Herzen; ob es noch warm für die Menschen oder schon verhärtet und kalt nur noch für sich selbst und für die fünf Minuten Ruhm auf der Bühne der Welt schlägt.
Liebe Schwestern, liebe Kinder, da heute Weihnachten ist, möchte ich Ihnen ein echtes Kompliment machen: Sie sind besonders! Aber nicht weil die Kinder süß, die Jugendlichen cool, die Frauen schön frisiert und die Männer fesch gekleidet sind. Sie sind besonders, weil Sie sich von der Botschaft von Bethlehem berühren lassen, auch wenn die Reduktion auf das Wesentliche nicht immer leicht zu leben ist. Sie sind besonders, weil Sie sich in dieser Nacht Zeit nehmen, um in der Gemeinschaft der Christen das Geheimnis Gottes zu feiern. Sie sind besonders, weil Sie jetzt zum Ausdruck bringen, dass das Weihnachtsfest nicht mit dem Abendessen und mit ein paar Packerl abgehakt ist, sondern erst bei denen beginnt, die bereit sind, ihr Leben immer wieder neu nach der Krippe auszurichten.
Sie sind besonders und ich wünsche Ihnen, dass Sie weiterhin so besonders bleiben, als Menschen, die ein warmes, gütiges Herz haben und die sich nur noch nach ihrem Herzen messen lassen.
Slawomir Dadas, Pfarrer