„Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß.
Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; das erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Sehr, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte.“ (Mk 16,2-6)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Greti kann nicht so schnell laufen wie Hans, Werner kann sich viel mehr merken als Rosi, Heli kann nicht so schön singen wie Christl, Michi ist die lästigste in der ganzen Siedlung und Heidi ist nicht so geduldig wie Rudi.
Jeder Mensch, der über sich selbst nachdenkt, wird sich seiner Schwächen und Grenzen bewusst. Der Umgang mit ihnen will gelernt werden. Man kann sich in Geduld üben, ein Gedächtnistraining machen, sich in dem einen oder dem anderen Bereich von jemand ein paar Tipps geben lassen. Die Grenzen erzeugen manchmal das Gefühl, dass wir am Leben nicht ganz teilnehmen können und stärken unsere Sehnsucht danach, sie zu weiten oder überhaupt aufzuheben. Gerade mit dieser Sehnsucht werden in unserer Zeit viele Geschäfte gemacht. Einige von ihnen möchte ich Ihnen aufzeigen:
„Erlebnismeditation: Wir sind göttliche Wesen“ – 25 Euro, „Basisseminar für Jenseitskontakte“ – 190 Euro, „Transformationsbegleitung – Geh deinen Weg“ – 90 Euro, „Selbstheilungsabend – eine kraftvolle Erfahrung“ – 30 Euro, „Reinkarnationstherapie – Einzelcoaching“ – 110 Euro. Es sind nur einige Beispiele von Angeboten aus unserer Umgebung. Dass sie bereits in den Titeln esoterische Züge ausweisen, liegt auf der Hand. Sie sind eine plumpe aber sehr geschäftstüchtige Antwort auf den Schrei der Menschen nach einem erfüllten Leben und sprechen vor allem die an, die glauben, sich das Heil kaufen zu können.
Ostern ist ein Fest des göttlichen Umgangs mit den Grenzen.
Zu Ostern werden wir daran erinnert, dass das Heil ein Geschenk Gottes ist. Das Heil – also die Vollendung aller Grenzen, die Vollendung meiner Person, die hier im Leben mit Gebrechen, mit Verletzungen, mit Schuld und mit der Vergänglichkeit zu kämpfen hat – kann weder gekauft noch erarbeitet werden. Gott will uns aber mit dem Heil beschenken. Die Lesungen dieser Nacht machen uns bewusst, dass wir nicht die Macher der Schöpfung und der Erlösung sind, sondern die Empfänger. Wir sind Geladene – gratis – zu einer Verkostung des „all in Programms“ Gottes. Zur Verkostung, weil das irdische Leben nur ein Vorgeschmack der Wirklichkeit Gottes ist, die aber denen versprochen ist, die sich für diesen Gott entscheiden.
Zu Ostern werden wir daran erinnert, dass Gott den Menschen nicht auslöscht, nicht in einer Energiewolke auflöst, sondern vollendet. Gott ist kein Hacker, der im Tod unsere Erinnerungs- und Gefühls-Festplatten löscht, sondern ein gerechter Heiler, der das Ungelöste, das Verletzte mit seiner Liebe versorgt. Gott nimmt uns auf, mit unserem Unvermögen und hilft uns, uns mit dem zu versöhnen, was im Leben offen geblieben ist. Die Wunden des Auferstandenen sprechen eine deutliche Sprache; Jesus ist der Selbe und doch ein anderer, weil seine Geschichte durch die Herrlichkeit Gottes im neuen Licht erstrahlt.
Und endlich werden wir zu Ostern daran erinnert, dass Gott die Grenze zwischen Himmel und Erde offen lässt. Die Erscheinungen des Auferstandenen machten den Frauen und Männern, die ihm zu Lebzeiten gefolgt sind, Hoffnung und stärkten ihr Vertrauen auf den göttlichen Beistand. Den haben sie auch erfahren, sodass sie mit der Zeit hinausgehen konnten, um die Frohe Botschaft, von Gott, der alle Grenzen sprengt, zu verkünden. Zu diesem Gott haben auch wir Zugang. Nicht geheime Praktiken, nicht teuer bezahlte Kurse, sondern eine Freundschaftsbeziehung mit ihm ist die Voraussetzung dafür, dass er uns bereits jetzt in diesem Leben begleitet und einst mit der Herrlichkeit beschenkt.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Es ist sicher, dass weder die Greti, noch die Michi noch der Rudi und auch nicht die Rosi perfekt und grenzenlos sind. Es ist sicher, dass sich keiner von uns die Erlösung kaufen und die Grenze des Todes aus eigener Kraft besiegen kann. Wenn wir aber an den glauben, der sich nicht in den Sternen und nicht in der Kraft der Meditation zeigt, sondern in der Auferweckung Jesu, dann haben wir seine Zusage, dass er uns eines Tages vollendet und in das Reich der grenzenlosen Liebe und der grenzenlosen Versöhnung aufnimmt. Ich wünsche uns, dass wir uns nicht verführen lassen von denen, die uns eine Selbsterlösung versprechen. Ich wünsche uns allen, dass wir in unserem Leben bei DEM bleiben, der uns zum Leben in Fülle führen will.
Slawomir Dadas, Pfarrer