Jeder von uns – ich unterstell das einfach einmal – liebt Jesus Christus. Ich nehme an, dass Sie auch an seine Auferstehung glauben, dass Sie glauben, dass Jesus lebt. Aber lieben und ehren wir Jesus Christus wie einen Toten oder wie einen Lebendigen?
Wenn man einem Toten, den man gerne gehabt hat, wenn man den nach seinem Tod noch ehrt; wenn man zeigen will, dass man ihn geliebt hat, wie äußert sich das dann ganz konkret? Man stellt ihm Blumen aufs Grab. Man stellt ihm ein Licht auf das Grab. Man hängt sein Bild an die Wand, oder stellt es auf den Schreibtisch. Und wenn man mit Leuten zusammen ist, die den Verstorbenen auch gut gekannt haben, dann erzählt man, was man früher alles mit dem Verstorbenen erlebt hat.
Wenn wir es jetzt einmal umgekehrt machen. Bei einem Lebenden, den man gern hat, wie äußert sich denn da die Liebe? Wenn mein Bruder zu Besuch kommt – und der kommt nur ganz selten einmal – , dann halte ich mir mehr Zeit frei, dann trinken wir miteinander Kaffe und erzählen uns alles, was uns im Augenblick bewegt.
Aber überlegen wir doch einmal, wie wir das mit Jesus machen: Wir stellen ihm Blumen hin, wir stellen ihm Kerzen hin, wir hängen sein Bild an die Wand, das Kreuz. Das ist alles gut und schön. Im Grunde genommen behandeln wir Jesus wie einen Toten. Wir lieben ihn, aber wir lieben ihn, wie man eben einen Toten liebt, nicht wie einen Lebendigen. Das ist etwas, was uns, glaube ich, allen fehlt. Wir lieben Jesus, aber Jesus ist für uns nicht der Lebendige. Könnte es sein, dass die Menschen heute mit dem Osterfest, mit der Auferstehung, oder besser gesagt: mit dem Auferstandenen nichts mehr anfangen können, weil wir ihnen dieses gelebte Glaubenzeugnis nicht mehr vorleben; weil wir selber dem Auferstandenen nicht mehr begegnen; weil wir selber die Auferstehungskraft Jesu nicht erfahren?
Glauben wir, dass Christus wirklich und wahrhaftig von den Toten auferstanden ist? Dass er, der Auferstandene, der Lebendige uns heute, in diesem Gottesdienst und immer wieder begegnen will? Und wenn wir es glauben, müsste das nicht im Grunde alles, unser ganzes Leben verändern? Müsste uns das nicht herausfordern, uns mit aller Kraft einzusetzen für eine gerechte Welt, für eine Welt, wie sie seiner Verkündigung vom Reich Gottes entspricht?
Schwestern und Brüder!
Wenn Jesus lebt, dann sind die Toten nicht unwiederbringlich tot, dann ist die Todesgrenze ein für alle Mal überschritten, und es gibt auch „auf der anderen Seite“ Leben. Wenn Jesus lebt, dann müssen auch Leitungsgremien nicht mehr so tun, als hinge das Schicksal ihrer Kirchen, Gruppen und Werke von ihnen ab. Dann gilt auch ihnen die Zusage, dass Jesus alle Tage bei uns ist – pausenlos und unbefristet.
Ich wünsche uns allen dass wir Jesus Christus wie einen Lebenden behandeln. Ich wünsche Ihnen allen heute am Osterfest nicht einfach nur „Frohe Ostern“, dass Sie ein frohes Osterfest feiern. Ich wünsche Ihnen, dass Sie wirklich Jesus dem Auferstandenen und dem Lebenden begegnen. Und dass Ihr Herz anfängt zu brennen über die Gewissheit: ER lebt! Amen.
Niko Tomic, Kaplan