„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles. Liebe Brüder, wenn das Herz uns aber nicht verurteilt, haben wir gegenüber Gott Zuversicht; alles, was wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt.
Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie es seinem Gebot entspricht. Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott in ihm. Und dass er in uns bleibt, erkennen wir an dem Geist, den er uns gegeben hat.“ 1 Joh 3, 18-24
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Messen, die in die Gebärdensprache übersetzt werden, sind eine gute Tradition in unserer Pfarre. Durch die Jahre hindurch haben vielleicht auch Sie sich einige Zeichen angeeignet und könnten möglicherweise einen Gehörlosen grüßen. Sie merken aber auch, wie schwer der Kontakt ist, wenn man die Sprache nicht verwenden kann. Trotzdem bekommt man mit der Zeit ein Gefühl für einen Menschen, mit dem man nicht einmal paar Worte gewechselt hat. Der Habitus – also das Auftreten, das Erscheinungsbild und das Benehmen einer Person – verraten uns sehr viel über sie. In der Begegnung mit Menschen aus fremden Ländern, mit denen wir uns nicht verständigen können, geht es uns nicht anders. Von dem Fischer auf einer abgelegen griechischen Insel bekommen wir auch ohne Worte einen Eindruck, wie von der Gemüseverkäuferin im kroatischen Urlaubsort. Oft sagen wir: Sie sind so nett, obwohl wir gar nicht miteinander reden konnten.
Auf der anderen Seite werden wir von Worten und Botschaften, die uns von dem einen oder dem anderen überzeugen wollen, überflutet. Wie oft lassen wir uns von den redegewandten Gurus verführen? Wie selten hinterfragen wir die Auftritte von selbsternannten Rettern und Erlösern, die uns das ökonomische, das gesellschaftliche oder auch das religiös-ganzheitliche Heil versprechen?
Von Christus sind nicht viele Worte geblieben. Die Theologen diskutieren bis heute, welche Aussagen man hundertprozentig Jesus zuschreiben kann und welche durch die Erzählungen und dann durch das Aufschreiben zwar dem Sinn, aber nicht dem Wortlaut nach, seine sind. Trotzdem wissen wir ganz genau, was es bedeutet, Christus nachzufolgen. Oder doch nicht?
Es gibt eine nette Geschichte vom Pater Heribert Arens „Als die Christen die Sprache verloren“. Sie berichtet davon, dass sich Jesus im Himmel aufgeregt hat, weil für die Christen die Worte – die Predigten, die schönen Lieder, die besonderen Gebete – wichtiger wurden als ihre christlichen Taten. So beschloss er, den Christen die Sprache zu nehmen, so dass der Papst mitten in der Predigt am Petersplatz die Stimme verlor oder die Orgel im Dom beim „Großer Gott wir loben dich …“ verstummte. Nach einem ersten Schreck begannen die Christen zu leben, was sie nicht sagen konnten. Und „so wurde die christliche Religion immer mehr von einer Religion der Worte zu einer Religion der Taten.
Und viele Menschen fanden diesen christlichen Glauben wieder interessant, weil sie sahen, welche Kraft von ihm ausging, und sie schlossen sich ihnen an.
Als Jesus später die Sprache wieder schenkte, waren einige fast traurig. Sie hatten in dieser Zeit gespürt, welche Lebenskraft im Glauben steckt.“
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
was würden wir machen, wenn uns auf einmal die Sprache weggenommen werden würde? Würden die Menschen an unseren Taten erkennen, dass wir zu Christus gehören? Wie würden wir das wichtigste Gebot leben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken und Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Da würde es nicht reichen, am Sonntag in die Kirche zu kommen und bei der Caritas-Haussammlung zu spenden.
Nicht „mit Wort und Zunge zu lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (1 Joh 3,18), wie es im ersten Johannesbrief heißt, bedeutet, das ganze Leben auf Christus, den Auferstandenen auszurichten. Es bedeutet bei ihm zu bleiben, wie die Rebe beim Weinstock, wenn sie eine echte Frucht sein sollte. Es bedeutet sich von ihm durch nichts und durch niemand trennen zu lassen, sondern sich darum zu kümmern, dass die Verbindung zu ihm immer mehr wachsen kann. Ja, jeder Mensch wird nach seinen Taten und nicht nach seinen Absichtserklärungen beurteilt werden.
Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, Christus durch unsere Taten zu bekennen. Ich wünsche uns, dass wir uns immer wieder auf die Botschaft des Evangeliums besinnen und aus ihr leben, damit immer mehr Menschen, sich von Christus führen und begleiten lassen.
Pfr. Slawomir Dadas