Ich habe heute einen Spiegel mitgebracht. Im Spiegel sehe ich mich und wenn ich ihn weitergebe, kann sich jede und jeder selbst sehen. Zuerst nur das Äußere, aber wenn ich mir Zeit nehme und dahinter sehe, den ganzen Menschen, so wie ich bin. Ungeschminkt nehme ich mich wenn ich ehrlich bin wahr. Mein Aussehen, meine Fähigkeiten und Begabungen, meine Erfolge, meine Freuden und mein Glück , aber auch meine Grenzen, meine Fehler, meine Schuld, meine Schwachheit, meine Einsamkeit, meine Krankheit oder meine Angst.
Ich nehme meine Sehnsüchte des Lebens wahr und meine Enttäuschungen. Es ist nicht immer leicht in diesen Spiegel hineinzusehen.
Und doch wage ich zu sagen, so wie ich geworden bin, mit all den Möglichkeiten und Grenzen, mit den Fähigkeiten und Fehlern bin ich ein Geschenk –seid ihr ein Geschenk, jede und jeder von uns.
Ein Geschenk von Gott an diese Welt. Ein Geschenk für die Schöpfung, ein Geschenk für die Menschen um mich.
Ist das nicht anmaßend, so wie wir mit der Schöpfung oder miteinander oft umgehen?
Wenn Gott mir und dir zusagt, dass er uns liebt, dass er nicht müde wird uns zu lieben, dann meint er nicht erst wenn ich fromm genug bin, keine Fehler mehr habe und wunderschön bin. Gott, liebt mich so wie ich bin. Durch die Liebe kann ich wachsen, kann ich mich zum Guten weiterentwickeln. Kann ich dann nicht auch selber mit liebevollem Blick auf mich schauen?
Advent ist die Zeit der Erwartung. Wenn Gott sagt, erwarte mich, mach dein Herz bereit, damit ich in dir neu geboren werden kann, dann kommt er nicht erst zu mir wenn ich vollkommen bin, Gott kommt in mein bruchstückhaftes Leben. Er heilt was verwundet ist, verzeiht die Schuld, begleitet mich in seiner Liebe.
In der Lesung heute steht eine Verheißung für Jerusalem die auch für jeden von uns gilt.
„ Der Herr dein Gott ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag. Wenn ich mich selber annehme, wenn ich mich freuen kann dass ich da bin, dankbar bin, im Wissen, ich bin ein Geschenk Gottes, kann ich auch zum Geschenk für andere werden.
Papst Franziskus hat diese Woche das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Barmherzig ist, wer ein Herz hat für die Armen, die Notleidenden, die Einsamen, die Kranken oder die Heimatlosen. Eine Haltung die in unserer Gesellschaft gerade jetzt immens wichtig ist. Aber bevor ich ein Herz für die Armen haben kann, muss ich ein Herz für das Arme, Schwache in mir haben, ein Herz für mich, so wie ich geworden bin.
Dann kann ich auch großzügig sein in meiner Nächstenliebe und andere so annehmen wie sie sind.
Menschen mit anderen Kulturen und Religionen, Kinder die andere Lebensvorstellungen haben als die Eltern, Menschen in Not, seien es seelische Nöte, körperliche oder finanzielle Nöte.
Da kann ich dann zum Geschenk für andere werden. Zum Zeitgeschenk weil ich jemanden besuche, ihm zuhöre oder bei der Arbeit helfe, zum Liebesgeschenk weil ich meinem Partner, meinen Kindern oder Eltern immer wieder sage und zeige „ich hab dich lieb, du bist mir wichtig, zum Hoffnungsgeschenk weil ich jemanden finanziell unterstütze, Möbeln, Kleidung oder Lebensmittel für Menschen in Not bereitstelle. Ich werde zum Geschenk für andere und andere werden zum Geschenk für mich.
Im Evangelium heute sagt Johannes, wenn Jesus kommt, wird er uns mit Heiligem Geist und Feuer taufen, dass heißt seine Kraft, seine Liebe wird in uns und durch uns wirksam werden.
Gehen wir mit dieser Zusage in unseren Alltag. Erfüllt mit dem Geist Gottes, gestärkt durch seine Liebe bin ich ein Geschenk für die Welt in der ich lebe.
Gabi Niederschick