„Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!“ Kol 3,12-15
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
haben Sie schon gehört, dass Frau Dr. Sophie Karmasin, die Bundesministerin für Familien und Jugend, ab 2017 die Familiengründung erschweren möchte? Sie will eine Prüfung einführen, bei der die Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten für ein Familienleben festgestellt werden sollte. Es wird befürchtet, dass bis zu 50 Prozent der Personen, die zur Prüfung antreten, diese beim ersten Mal nicht schaffen und dass ca. 20 Prozent überhaupt für Familien untauglich erklärt werden könnten.
Nein, Sie haben diese Neuigkeiten nicht gehört, weil sie ein Produkt meiner Fantasie sind. Aber beim Nachdenken über den heutigen Sonntag der Heiligen Familie habe ich mich gefragt, warum es so einfach ist, eine Familie zu gründen. Warum gibt es keinen staatlich vorgeschriebenen Vorbereitungskurs, der – sagen wir – mit einem Familienführerschein endet? Denn ganz egal, ob Sie mit einem Moped, mit einem Stapler oder mit einem Auto unterwegs sind, müssen Sie sich zuerst der Fortbildung und danach der Prüfung stellen. Aber auf einem so wichtigen Gebiet, wie das Familienleben, ist das alles nicht notwendig. Wenn es aber ernst gemeint ist, dass die Familie die wichtigste soziale Einheit in der Gesellschaft ist, und dass dort die Grundlagen und die Grundwerte des Zusammenlebens gelernt werden sollen, würde ich für die Idee eines Familienvorbereitungskurses und Familienführerscheins eintreten.
Ich könnte ihn mir nach dem Vorbild von L17 vorstellen – also 32 theoretische Ausbildungseinheiten mit einem Familientherapeuten und 3.000 Familienstunden nicht als Mitfahrgelegenheit, sondern als Wahrnehmung der Verpflichtung für sich selbst, für die Lebensmitfahrenden und für die anderen Lebensteilnehmer.
Für den Staat wäre wahrscheinlich dabei die allgemeine Gesellschafts-, Nachbarschafts- und die Kindererziehungskunde wichtig. Für mich als Christ würde ich zumindest auf drei Themen nicht verzichten wollen. Erstens: jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und trägt etwas Göttliches in sich, zweitens: Vergebung als Weg zum glücklichen Leben und drittens: Liebe als Lebenshaltung und Tragekraft des Familienverbandes.
Die Familie sollte eine Gemeinschaft sein, in der jeder und jedem mit höchstem Respekt begegnet wird. Die Lesung aus dem Brief an die Kolosser drückt das durch die Begriffe Güte, Demut, Milde und Geduld aus. Damit ist kein Sich-Unterwerfen gemeint, sondern das Anerkennen, dass die andere Person ein Abbild Gottes ist, und etwas Heiliges in sich trägt. Dieses Heilige und Wertvolle unseres Lebens wird aber oft durch die Sünde, vergiftet und führt zu Verletzung und Enttäuschung. Darum gibt es in den Familien keine andere Möglichkeit, glücklich zu sein, als sich immer wieder auf den Weg der Vergebung einzulassen. Die Vergebung hat aber nichts mit einer Abrechnung zu tun, sondern mit der Fähigkeit eines Menschen, einem anderen eine neue Chance zu gewähren, weil niemand von uns sündenfrei ist.
Die Liebe sollte das Band sein, das alles zusammenhält. Die Liebe meint aber keinen Gefühlsausbruch, sondern die Entscheidung für andere zu leben, für andere Verantwortung zu übernehmen, andere als eigene Lebensaufgabe zu sehen. Lieben heißt, sich verschenken zu wollen, ohne die Angst, dabei zu kurz zu kommen. So verstandene Liebe gibt Halt und Kraft auch dann, wenn es schwer wird und schenkt Hoffnung, wenn vieles um uns dunkel erscheint.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
am Fest der Heiligen Familie wird uns bewusst, dass man das Wichtigste im Leben nicht machen kann. Es wird uns bewusst, dass glückliche zwischenmenschliche Beziehungen Geschenke sind, die göttliche Kraft in sich tragen, weil sie sich durch Liebe, durch Vergebung, durch die Annahme des anderen als Abbild Gottes auszeichnen. Ich wünsche uns allen, dass wir mit unseren Beziehungen behutsam umgehen. Ich wünsche uns, dass uns unsere Pfarrpatrone, die Mitglieder der Heiligen Familie begleiten und uns helfen, auch eine liebende und vergebende Pfarrfamilie zu sein.
Slawomir Dadas, Pfarrer