„Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ Joh 15,12-17
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
ablegen, zurücklegen, weglegen sind Vokabeln, die sehr oft im Büro verwendet werden. Sie beziehen sich meistens auf Posteingänge, verfasste Schriftstücke und Dokumente, die aufbewahrt werden und nicht automatisch im Papierkorb landen sollen. Wer schon in diesem Bereich gearbeitet hat, kennt die vielen Ordner, die für eine fremde Person zuerst immer undurchschaubar erscheinen. Aber die Kunst der Büroarbeit liegt gerade darin, dass nicht die Fremden, sondern die zuständigen Personen sich auskennen und schnell wieder alles bei der Hand haben, was sie in der momentanen Situation brauchen. Die Probleme würden dort beginnen, wo jemand etwas falsch abgelegt, weggelegt oder sogar etwas Wichtiges entsorgt hat. Da der letzte Tag im Jahr sich besonders dafür eignet, das eine oder das andere neu zu sortieren, lade ich Sie dazu ein, mit mir über die Jahresablagen des Lebens nachzudenken.
Jede und jeder von uns hat in den vergangenen Monaten negative Erfahrungen machen müssen. Sie waren unterschiedlich: von einem Beziehungsbruch, einem Schicksaalschlag, einer Krankheit bis zum Tod einer lieben Person. Sie haben uns unterschiedlich betroffen gemacht und haben unterschiedliche Emotionen ausgelöst. In einigen Situationen waren wir dabei wütend, in den anderen apathisch machtlos oder von der Trauer gelähmt. Man kann diese Erfahrungen nicht auslöschen und nicht weglegen, als ob sie keine Gültigkeit mehr hätten. Man kann sie aber in die Hände Gottes zurücklegen mit der Bitte um die Heilung. Denn dort, wo etwas nicht verdrängt, nicht geleugnet und nicht versteckt sondern geheilt wird, kann erst etwas Neues beginnen. Gott, der sich uns als Freund des Lebens zeigt, der uns mit seiner heilenden Kraft zur Seite stehen möchte, lädt uns immer wieder zum Neubeginn ein. Legen wir in seine heilenden Hände alles zurück, was uns an unsere Grenzen gebracht hatte.
Das letzte Jahr hat uns aber auch vielerlei Freude bereitet. In der Arbeit, in der Freizeit, in vielen Begegnungen konnten wir erfahren, dass wir Beschenkte sind. Beschenkte durch andere Menschen, die zu uns stehen, die uns Mut machen, die uns auf unseren Wegen stützen und vor allem, die uns das Gefühl vermitteln, dass wir wertvoll sind und unser Leben einen Sinn hat. Solche Momente würden wir am liebsten festhalten, vielleicht ein wenig krampfhaft. Aber auch sie müssen in die Jahresablage, sonst wären wir nicht offen für das Neue, womit wir noch beschenkt werden können. Wir legen Freundschaften, Glücksmomente, erfahrene und gegeben Liebe in die Hände Gottes zurück, mit Dankbarkeit und mit der Bitte, dass sie von uns nie als selbstverständlich betrachtet werden. Denn dort, wo etwas nicht mehr für besonders gehalten wird, verliert es in unseren Augen an Wert und wird nicht mehr zur Quelle der Freude. Wir legen also alle und alles, was uns im letzten Jahr zu erfüllten Menschen gemacht hat in die segnenden Hände Gottes, weil er der Ursprung alles Guten und aller Freude ist.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
im Büro unseres Lebens wird sich auch im kommenden Jahr sehr viel tun. Es wird ein Kommen und ein Gehen geben, von Menschen die kurz bei uns verweilen oder die länger bei uns sitzen bleiben. Einiges wird ganz neu sein, anderes wird auf den Erfahrungen und Erlebnissen des vergangenen Jahres aufgebaut. Bei all dem wird Gott, der Freund des Lebens, bei uns sein; manchmal um uns zu trösten, manchmal um uns zu stärken oder auch um uns mit der Freude zu erfüllen, die wir mit anderen teilen können. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, das alte Jahr gut in die Hände Gottes zurückzulegen. Ich wünsche uns, dass wir dem Alten nicht nachtrauern und davon nicht gehemmt werden, dem neuen mit Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen zu begegnen. Denn wir sind nicht alleine, wir können uns Freunde Gottes nennen, also Menschen, die von ihm geheilt, geliebt und gesegnet werden.
Slawomir Dadas, Pfarrer