„Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte; Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, wurdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.“ Joh 14,25-28
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wenn es die Ukraine nicht gäbe, wenn der Konflikt in Syrien keine Flüchtlingswelle verursacht hätte, könnte man Europa als das gelobte Land des Friedens bezeichnen. Aber es gibt scheinbar immer wieder solche „Störfaktoren“, die es nicht zulassen, dass wir jeden Abend bei einem Glas Bier, Wein oder naturgepressten Saft Heimatfilme anschauen, in denen schöne Landschaften gezeigt werden und die Gewalt grundsätzlich ausgeblendet wird. Und wird auf der politischen Szene ein Konflikt zumindest am Papier beendet, gibt es in Kürze einen zweiten und dritten und es scheint dabei kein Ende in Sicht. Abgesehen von solchen „schwarzen Schafen“ – die ständig militärisch aktiv sind, wie die USA, Russland, Israel oder die Türkei, beteiligen sich immer mehr mitteleuropäische Länder an Kriegsgeschäften, an der Produktion modernster Waffen, um das eigene Bruttoinlandsprodukt hoch zu halten. Und wenn es in den Kriegsgebieten um sogenannte Lösungsvorschläge geht, dann haben sie meistens mit dem Frieden nicht viel zu tun, sondern im besten Fall mit einer Feuerpause, die dazu genützt werden kann, wieder Geschäfte zu machen.
Auf diesem Hintergrund bekommen die Worte Jesu: „Frieden hinterlasse ich Euch, meinen Frieden gebe ich Euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich Euch“ (Joh 14,27) eine besondere Bedeutung. Denn der Friede Jesu beginnt nicht dort, wo Menschen nicht mehr miteinander streiten, weil sie nicht mehr miteinander reden, er beginnt nicht dort, wo jemand nicht mehr weint, weil er nicht einmal die Hoffnung hat, dass seine Tränen ein Mitgefühl hervorrufen und er beginnt nicht dort, wo die Maschinengewehre nicht mehr schießen, weil alle Widerstandskämpfer tot sind. Das ist der Friede der Welt. Der Friede Jesu beginnt dort, wo einer dem anderen das Recht auf den Lebensraum zuspricht und diesem Recht entsprechend handelt. Er beginnt dort, wo alle zur Versöhnung bereit sind, damit die Wunden heilen können. Konkret beginnt der Friede Jesu dort, wo Menschen nicht mehr miteinander streiten, weil sie sich gegenseitig um Verzeihung gebeten haben und sich gegenseitig diese zugesprochen haben. Der Friede Jesu beginnt dort, wo jemand nicht mehr weint, weil ihm ein anderer die Tränen getrocknet hat und dort, wo die Maschinengewehre nicht mehr schießen, weil keiner über den anderen herrschen will. Der Friede Christi beginnt also dort, wo weder psychische noch körperliche Gewalt angewendet wird. Er beginnt dort, wo niemand versucht, aus politischem Kalkül die Menschen in Not gegeneinander aufzuhetzen. Der Friede Christi wird dort Realität, wo jedem das Recht auf ein glückliches Leben zugesprochen wird, wo jede und jeder die Möglichkeit hat, sich zu entwickeln und ein Leben im Wohlstand zu führen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
als ich jetzt im Libanon war, hatte ich ein ähnliches Gefühl, wie vor ein paar Jahren in Bosnien bei der Fahrt zur Primiz von unserem Kaplan Niko. In den beiden Ländern hat es keinen Krieg, aber auch nicht wirklich einen Frieden gegeben. Politisch schien die Situation in Griff zu sein, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass die Mächtigen sich Gedanken darüber machten, wie die Versöhnung möglich ist. Denn in beiden Ländern gab es viele verlassene Gebiete, zerschossene Häuser, Verbote zu fotografieren, damit nicht zu viel der Öffentlichkeit gezeigt wird: eine Feuerpause, aber kein
echter Friede.
Darum sind wir als Christen verpflichtet zum Aufbau einer neuen Welt, in der nicht die Gewalt und die Geschäfte mit der Not der anderen, sondern die Versöhnung und die Bereitschaft zum Teilen zu den obersten Geboten erklärt werden. Wir sind verpflichtet zum Aufbau einer neuen Welt, in der die Würde jedes Menschen geachtet und die Botschaft des Auferstandenen vom Geist der Vergebung und der Liebe ein Fundament unseres Lebens wird. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt aus diesem Frieden zu leben und aus ihm unsere Umgebung zu gestalten.
Slawomir Dadas, Pfarrer