„Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsst, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.“ Röm 8,14-17
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
eine der großen Errungenschaften der europäischen Länder nach der Wende der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts war die Reisefreiheit. Wie groß war die Freude bei verschiedenen Ausflügen, als jede und jeder von uns selbst die Erfahrung machen konnte, dass die Autos an der Grenze ohne Kontrolle durchgewinkt wurden. Mit der Zeit erlebten wir, dass es keine Grenzen mehr gibt. Dabei ist das Gefühl der europäischen Freiheit und der Verbundenheit mit den anderen entstanden, weil dort wo man nicht kontrolliert wird, hat das Vertrauen über die Angst und über die Vorurteile gewonnen. Aber im letzten Jahr passierte eine Rückwende. Die neuen Kontrollen und die Grenzzäune haben die Illusion von einer unbeschränkten Freiheit zerschlagen. Einerseits zeigte sich, auf welchem Fundament die europäische Freiheit aufgebaut wurde andererseits stellte sich die Union als Wertegemeinschaft selbst in Frage. Denn niemand von denen, die mit Militär, Tränengas und Absperrung gegen Kriegs- und Armutsflüchtlinge vorgehen, kann als Mensch der allgemeinen Freiheit und der Gerechtigkeit für alle ernst genommen werden. Niemand, der Ängste schürt, um den eigenen Wohlstand nicht teilen zu müssen, kann sich auf seine Fahnen „christliche Werte“ heften. Ja, die Situation des letzten Jahres machte uns bewusst, dass viele Begriffe, die mit Menschenrechten zusammenhängen in Europa sehr unterschiedlich verstanden und verwendet werden.
Darum wenden wir uns heute dem Begriff „Freiheit“ zu, der biblisch gesehen zu den fundamentalen Werten des Menschen gehört.
Die Freiheit wird in der Ethik und in der Moraltheologie vor allem als die Selbstbestimmung auf ein hohes Ziel hin definiert. Sie wird also nur dann verwirklicht, wenn der Mensch zuerst die Chance bekommt, solche Lebensziele zu formulieren, die dem Wohl seines gesamten Daseins dienen. Weiters muss der Mensch die Möglichkeit haben, eigene Lebenspläne, die mit einem hohen, selbstdefinierten Ziel zusammenhängen zu verwirklichen. Auf diesem Hintergrund wird uns der Unterschied zwischen der europäischen und der christlichen Freiheit klar. Die erste dient vor allem der neoliberalen Wirtschaft. Denn gerade die großen Konzerne, Firmen und Banken haben die Möglichkeit bekommen, sich ihre Ziele zu formulieren, ohne Rücksicht auf die Verluste der Menschen. Sie können sich Standorte aussuchen, um mit billigen Kräften möglichst viel Profit zu erzielen. Dass in den letzten Jahren dabei viele Menschen auf der Strecke geblieben sind, wird mit Weltkrisen begründet. Die christliche Freiheit nimmt den Menschen in den Blick, den Menschen, der da lebt und den, der da Schutz sucht. Als höchstes Ziel formuliert sie das Heil für alle. Und diesem Heil soll alles unterordnet werden. So wird es auch klar, dass die christliche Freiheit viele Menschen dazu bewegt, gegen jede Art der Ausbeutung und Ausgrenzung zu sein, gegen jeder Art des Egoismus und der Verteidigung des erreichten Wohlstands ohne den anderen daran zu beteiligen. Und die christliche Freiheit geht noch ein Stück weiter und fragt nach der Seele des Menschen. Geht es ihr gut, bei den Einheimischen wie auch bei dem Fremden? Hat sie die Möglichkeit, sich zu verwirklichen und frei nach Gott zu suchen?
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Pfingsten ist das Fest des Geistes, der den Menschen frei macht und bewegt, manchmal gegen die Moden, gegen die politischen und die wirtschaftlichen Trends zu leben. Der Geist macht uns frei, Gott als höchstes Ziel zu wählen und stärkt uns, das Leben auf ihn hin auszurichten. Er macht frei von allen Arten der Versklavung, die uns behindern, das Heil zu erreichen. Er zeigt uns Wege, die uns zum Leben in Fülle führen und stärkt uns, uns dafür einzusetzen, dass alle in Freiheit ihr Leben gestalten können.
Ich wünsche uns allen, dass wir uns diesem Geist öffnen und mit ihm durch das Leben gehen. Ich wünsche uns, dass er uns wirklich befreit, von allen Bindungen, die uns auf dem Weg zum Gottes Heil stehen.
Slawomir Dadas, Pfarrer