Schwestern und Brüder,
wollen Sie heilig werden? Glauben Sie überhaupt, dass Sie einmal heilig werden können? Ihm, Gott ähnlich sein und dadurch heilig werden, so wie Er heilig ist? (Vergl. 1 Petrus 1, 16). Das heutige Fest Allerheiligen ruft uns in Erinnerung, welches unsere eigentliche Berufung als Christen, als Kinder Gottes ist: die Heiligkeit! Heilig werden- kann ich das überhaupt? Wenn zu uns jemand von der Heiligkeit spricht, haben wir oft das Gefühl, dass es etwas ist, was uns nichts angeht. Ist Heiligkeit nur etwas für ganz wenige Auserwählte, die alles verlassen haben, um allein Gott zu dienen? Waren sie besonders klug oder besonders fromm? Normalerweise verbinden wir mit den Heiligen große Gestalten der Vergangenheit. Aber ich, mit meinen Schwächen und meinen Problemen und Sorgen kann doch nicht heilig werden.
Doch jeder von uns kann heilig werden! Natürlich, es geht nicht ganz ohne unser eigenes Mittun, aber gerade die Fülle von Heiligen im Himmel zeigt uns, dass es unzählige Wege zur Heiligkeit gibt. Denn unter den Heiligen finden wir Menschen aus praktisch allen Berufsgruppen: Könige, Politiker, Ärzte, Hausfrauen, Kinder, Päpste, Bischöfe usw. Es gibt so viele und so unterschiedliche Heilige, weil sie zu ganz verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gelebt haben? Sie stammen aus allen Gebieten der Erde, aus allen Kontinenten, Völkern und Rassen.
Aber was ist das Gemeinsame all dieser Menschen? Wenn wir die Lebensläufe der Heiligen genauer anschauen, können wir eine Gemeinsamkeit ihres Weges zur Heiligkeit erkennen: Alle Heiligen hatten eine gute und tiefe Beziehung zu Gott. Ihm haben sie ihr Leben anvertraut, auf ihn ihr Leben gebaut. Diese Beziehung hat ihr Leben glücklich, selig gemacht, auch wenn die äußeren Umstände oft alles andere als glücklich waren. Aus dieser Beziehung waren sie bereit, gegen Strom zu schwimmen und ihr Leben zu opfern. Heilige sind fast immer aufgefallen, und selten nur positiv. Zum Beispiel die Heilige Katarina von Siena: sie legte sich, wie so viele andere Heilige, mit den Mächtigen an. Diese Freiheit, sich mit den Mächtigen anzulegen, hat vielen Heiligen sogar das Leben gekostet. Oder Maximilian Kolbe, polnischer Priester, der Juden vor den Nazis rettete. Dann musste er selber ins Konzentrationslager und starb dort für einen anderen Häftling.
Heilige waren bereit, nach Gottes Willen zu fragen und sich an Gott festzuhalten. Das haben sie so überzeugend getan, dass die Kirche sie heilig nennt, Vorbilder also. Ein Heiliger oder eine Heilige werde ich nicht dadurch, dass ich versuche, etwas Besonderes zu sein. Die Heiligen damals und heute lieben die Alltäglichkeit und leben sie ganz bewusst, weil sie wissen, dass Gott da mittendrin ist. Und sie wissen damals und heute, dass kein Mensch vollkommen ist. Und deshalb haben sie in ihrer eigenen Unvollkommenheit ihr Bestes gegeben. Heute müssen wir die Bedeutung der Heiligkeit für unsere Zeit unterstreichen. Heiligwerden ist eine alltägliche Aufgabe, kein überirdisches Ideal. Heiligkeit ist eine gegenwärtige Angelegenheit, aber auch zukünftiges Ziel. Die Heiligen waren und sind ganz normale Väter und Mütter, Ordensleute, Priester, Berühmte und Unscheinbare, Kleine und Große, Menschen wie du und ich.
Ich denke, so gesehen ist Heiligsein auch etwas für uns heute im Jahr 2016. Das gilt nicht nur für einige Auserwählte, das ist eine Einladung für jede und jeden: für alle, die mit sich und ihren Schwächen jeden Tag neu kämpfen, für alle, denen das Evangelium Jesu wichtig geworden ist, für alle, die auf Jesus Christus getauft sind. Sie alle sind eingeladen, vor Gott zu leben, bei ihm die Kraft für ihr Leben zu holen. Wäre so ein Leben nicht auch etwas für mich und dich?
Niko Tomic, Kaplan