„In jener Zeit trat Petrus zu Jesus und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen. Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.“ Mt 18, 21-23.35
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wir leben in Frieden. Aber wissen Sie, wie viele Kriege und größere Konflikte es derzeit auf der Welt gibt? Die deutschen Wissenschaftler des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung sprechen von 18 Kriegen und 226 militärischen Konflikten. Der europäische Friede wird derzeit durch den Krieg in der Ostukraine gestört. Aber mehrere Länder in Afrika und im Nahen Osten sind seit Jahren in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt.
Hinter jedem solchen Konflikt stehen mehrere Interessen. Zuerst Interessen wirtschaftlicher Natur; einige der reichen Länder wollen – die von ihnen produzierten – Waffen absetzen. Weiters gibt es nach einem Krieg die Möglichkeit, sich wirtschaftlich am Aufbau zu beteiligen und den eigenen Firmen neue Märkte zu öffnen. Ein wichtiger Punkt ist dabei der Einfluss auf die Bodenschätze, weil niemand in den Industriestaaten daran denkt, die Güter der Erde gerecht zu verteilen. Die Unterstützung bestimmter Parteien im Krieg hängt oft mit Absprachen zusammen, die dem Unterstützer Gewinne bringen sollen. So lange es ein solches Denken und Handeln gibt, wird es Kriege geben und tausende Tote und Millionen Vertriebene. Und so lange die Länder der Europäischen Union an diesen Machtspielen durch Waffenlieferungen, durch Billigeinkauf, durch Billigproduktion beteiligt sind, können wir nicht so tun, als ob uns das nichts angehen würde.
Welche Auswege gibt es aus dieser prekären Situation?
Die Wirtschaft hat kaum Interesse daran, dass alle Konflikte beendet werden. Aus der Sicht der Politik könnte einiges erreicht werden, wenn man nicht versuchen würde, den anderen eigene Vorstellungen vom Leben aufzudrücken, oder sich politischen Einfluss zu sichern – was in Praxis immer der Fall ist.
So suche ich die Lösung in der Botschaft Jesu. Aus seiner Sicht ist die einzige wahre Lösung der Konflikte die Versöhnung: Versöhnung als Abwendung von Zorn und von Rachegefühlen, Versöhnung als Heilung des eigenen Herzens von der Feindschaft, und von dem Drang nach Vergeltung, Versöhnung als ein Blick in die Zukunft, die uns eines Tages vor den Richterthron Gottes führt. Dass sich die Politiker und die großen Wirtschaftstreibenden in ihren Entscheidungen nicht unbedingt danach richten, ist es klar. Wenn sie es tun würden, dann müsste sich z.B. die Frau Merkel fragen, was der liebe Gott davon hält, dass Deutschland im Jahr 2014 nur direkt für den Irakkrieg 16.000 Sturmgewehre, 40 Maschinengewehre, 8.000 Pistolen, 30 Panzerabwehrwaffen, 200 Panzerfäuste, 10.000 Handgranaten und insgesamt 106 Militärfahrzeuge verkauft hatte. Aber unter den zehn größten Waffenlieferanten der Welt sind auch solche Friedenskämpfer wie Frankreich, Italien, Schweiz und Spanien. Sie alle müssten sich fragen: Was hält der liebe Gott davon, wenn sie einerseits von Frieden und Gleichberechtigung predigen und andererseits direkt Kriege unterstützen? Nicht die Politik, sondern die Versöhnung ist der einzige Weg zum Frieden.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die heutigen Lesungen sprechen eine deutliche Sprache. Wenn jemand Groll, Zorn, Gier, Unrecht, Feindschaft unterstützt, wird er einst dafür Rechenschaft ablegen müssen. Er wird all das erleiden müssen, was er selbst mit verursacht hat. Die Heilung des eigenen Herzens von den erlittenen Verletzungen führt zur Versöhnung, zur Vergebung, zur Großzügigkeit dem anderen gegenüber und ist der einzige Weg, um die Vergebung der Schuld durch Gott zu erlangen.
Ich wünsche uns allen, dass wir zum Frieden in der Welt beitragen, weil wir unsere Herzen geheilt und verändert haben, um den anderen vom Herzen zu vergeben. Ich wünschen uns, dass die Bitte des Vaterunsers: „… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ nicht nur leere Worte bedeutet, sondern uns immer wieder dazu ermutigt, den Weg der Versöhnung zu suchen und dadurch einen Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten.
Slawomir Dadas Pfarrer