Qualitätssprung durch Fasten

Was sagt ihnen das: Wüste? Wahrscheinlich waren etliche von ihnen schon einmal in so einer Wüste oder kennen sie zumindest aus Fernsehen, Filmen oder Erzählungen. Wir verbinden damit Schönheit, Großartigkeit der Natur, Abenteuer oder den ganz besonderen Urlaubskick. In Zeiten von GPS und Satellitentelefon birgt Wüste eigentlich keine Gefahr mehr. Vor 2000 Jahren war das ganz anders. Wüste war der Ort des Nicht-Lebens, der Nicht-Existenz. Wüste war ein Unort, an den man sich nicht freiwillig begeben hat.

Warum geht Jesus in diesen lebensfeindlichen Ort, und was hat das mit der Fastenzeit zu tun?

Unser Fasten ist vor allem Verzicht. Verzicht auf Essen, Alkohol, Rauchen, auf Genussmittel überhaupt, auf Fernsehen, Autofahren.

Die Motive dafür sind manchmal durchaus praktischer Art: Gewicht abnehmen, gesünder leben,  den Körper entgiften; alles durchaus lobens- und erstrebenswert und vernünftig, aber was hat das mit Ostern zu tun.

Ein anderer Grund für das Fasten ist der Verzicht an sich. Je mühsamer und schwerer es uns ankommt, desto besser. Aber Ostern ist das Fest des Sieges des Lebens über den Tod – gibt es wirklich so viel Sinn, sich darauf mit selbstquälerischen Opfern vorzubereiten?

Ohne dass wir es gemerkt haben hat sich unser Leben eingeschränkt, wurde behindert durch Gewohnheiten, durch Strukturen, durch ständig gleichbleibende Rituale. Wir bewegen uns auf fest eingefahrenen Gleisen. Das ist praktisch und hilfreich, macht uns das Leben scheinbar leichter und stellt uns nicht mehr in Frage. Es erspart uns das Nachdenken.

Aber all das mauert uns auch ein, verkleinert unsere Möglichkeiten, verengt unseren Blick auf andere, auf wesentliche Dinge des Lebens.

Wenn Jesus sich in die total lebensfeindliche Wüste zurückzieht, dann löst er sich aus dem gewohnten Leben, aus den eingefahrenen Gleisen. Er zeigt uns und macht uns vor, wie es gelingen kann, wieder sozusagen von außen auf das eigene Leben zu blicken, sich zu orientieren, sich wieder neu auszurichten.

Und genau das ist der Sinn von unseren Fastenübungen. Wenn wir dabei ein paar Kilo verlieren oder unseren Körper tatsächlich entgiften, dann ist das durchaus in Ordnung. Und weniger Trinken oder Rauchen kann nie schaden.

Aber das und alle andere Formen des Verzichts, die wir uns auferlegen, sind nicht der eigentliche Sinn des Fastens. Der liegt nicht in erzielten Erfolgen und nicht in asketischen Leistungen. Das Fasten an sich hat keinen Wert. Wert gewinnt  das Fasten erst, wenn es damit gelingt, etwas an unseren bestehenden Ordnungen zu ändern, wenn es uns gelingt, die alten Gleise zu verlassen und dem alten Trott abzusagen.

Im Verzicht auf Unnötiges kann ein wahrer Qualitätssprung gelingen in ein reiches und erfülltes Leben. Mit dem Verzicht kann sich die Möglichkeit eröffnen, etwas von dem abzulegen, was uns von Gott trennt.

Wenn es gelingt, das Leben wieder neu auf das auszurichten, was ihm Sinn verleiht, dann wird das Fasten auch sinnvoll.

Dann wird die Fastenzeit nicht Entsagung und Quälerei sein, sondern Befreiung und eine echte Vorbereitung auf Ostern, auf das Fest des Lebens.

Rudolf Bittmann
Diakon