Was sollten wir da noch fürchten?

„Sie wussten noch nicht, dass er von den Toten auferstehen musste“, steht da. So erklärt das Evangelium die etwas sonderbare, ja beinahe ignorante Haltung der beiden Jünger . Eigentlich hätten sie es wissen müssen, Jesus hat es ihnen etliche Male erklärt, hat von seinem Leiden, aber auch von seiner Auferstehung gesprochen. Aber sie hatten wohl mehr das irdische Reich, den sieghaften Aufstand gegen die römischen Unterdrücker im Sinn.

Und als dann die Katastrophe eingetreten ist, der Verrat, der Spott, die Erniedrigung, der Tod – da haben sie sich versteckt, sie wollten durchtauchen durch die Pleite.

Das leere Grab, von dem ihnen berichtet wird, das nehmen sie in Augenschein und mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis. Und kehrten, so steht es da, einfach wieder nach Hause zurück. Das Grab ist leer, das war alles, was sie den Gefährten berichten konnten.

Maria von Magdala hat das nicht so einfach hingenommen. Ihre Beziehung zu Jesus war viel dichter, nachhaltiger, ihre Liebe war viel tragfähiger. Ihr hat sich Jesus zu erkennen gegeben und so war sie es, die den anderen Jüngern die Nachricht von der Auferstehung bringen durfte.

Wenig später geschah Erstaunliches. Aus den müden, feigen, ängstlichen Typen sind mit einem Schlag aufrechte, starke Menschen geworden. Menschen, die keine Angst mehr hatten, die die Obrigkeit und deren Repressalien nicht mehr fürchteten, die sich vom Spott und Hohn ihrer Mitbürger nicht mehr beeindrucken ließen.

Der Auferstandene ist ihnen erschienen, ist ihnen persönlich nahe gekommen. Jetzt haben sie verstanden, dass Leid und Tod nichts Endgültiges ist.

Sie haben gelernt, was Auferstehung heißt. Auferstehung, das ist frei sein, nicht mehr fliehen müssen vor dem Tod und allem, was damit verbunden ist.

Richten wir einmal den Blick von den Jüngern  zu uns. Was sind wir, was ist unsere Welt? Wir sind genauso irdisch ausgerichtet wie die Jünger damals. Wir versuchen uns experimentell an der Entstehung des Weltalls, wir klonen Lebewesen und genmanipulieren die Natur nach unserem Belieben. Wir glauben, fast alles schaffen zu können.

Und doch, versteckt und verdrängt, ist die Angst in uns. Angst vor dem Leiden, vor Krankheit, vor dem Scheitern. Ganz allgemein bodenlose Angst vor dem Tod und was zu ihm gehört. Darum sind wir in unserem Leben dauernd auf der Flucht – und wissen doch, dass wir all dem nicht entgehen. Wir können tun, was wir wollen, die Angst bleibt, weil der Tod bleibt. Fehlt uns das Erlebnis der Auferstehung und die Begegnung mit dem Auferstandenen, wie es Maria von Magdala und später den Jüngern geschenkt war?

Jesus ist auferstanden. Nicht als Wiedereinsetzung in sein vorheriges Leben, wie wir es uns vielleicht beim Tod eines lieben Menschen wünschen. Nein, diese Auferstehung Jesu ist ganz anders, unumkehrbar, sie ist für die Ewigkeit. Diese Auferstehung ist das Aufgehen in Gott, in die allerletzte Wirklichkeit.

Und diese Auferstehung hat Jesus auch uns zugesagt. Ich gehe zu meinem Vater, der auch euer Vater ist.

Darum ist die Begegnung mit dem Auferstandenen nicht Maria von Magdala und den Jüngern vorbehalten. Diese Begegnung gibt es auch für uns. Und genau das ist es, was im heutigen Fest und was in jeder Eucharistiefeier geschieht. Christus begegnet uns, wir begegnen Christus. Nicht in einem dubiosen Visionserlebnis, sondern in eigener Erfahrung, eigenem Wissen.

Darum können, dürfen wir frei und ohne Angst leben. Aus der Begegnung mit dem Auferstandenen wird uns all das geschenkt, was den Jüngern geschenkt wurde: die Gewissheit, dass der Tod, auch unser Tod, nicht Elend und absolutes Ende ist, sondern die Weiterführung des Lebens in der Existenz Gottes.

Was sollten wir da noch fürchten?

Rudolf Bittmann
Diakon