Lippenbekenntnisse

„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles.“ 1 Joh 3, 18-20

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
vor jeder Wahl und auf jeder politischen Ebene gibt es viele Lippenbekenntnisse, also Versprechen, die geäußert und plakatiert werden, mit dem Wissen, dass sie sowieso nicht umgesetzt werden können. Denn was der Wähler hören will, das soll er bekommen. Ja, es steht oft ein ganzer Stab von Fachleuten dahinter, der für das Erscheinungsbild, das Auftreten, die Inhalte der Spitzenkandidaten verantwortlich ist und der dafür sorgt,dass die Wunschvorstellungen der Wähler erfüllt werden. Dass der Kandidat oder die Kandidatin, die gewählt werden sollten, Aussagen treffen, von denen sie selbst nicht überzeugt sind, gehört leider Gottes bereits zum Standard der Wahlvorgänge.

Nicht viel anders verhält es sich im Bereich der Nachhaltigkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Es gibt genug Firmen, die sich scheinbar zur Gerechtigkeit und zum Umweltschutz bekennen, die aber in ihrem Handeln nur auf Profit auf Kosten der anderen und der Natur ausgerichtet sind. Es gibt Länder und Staatsvertreterinnen und Vertreter, die ständig vom Frieden sprechen, aber so viele Waffen in die Krisenregionen verkaufen, dass es dort keinen Frieden geben kann. Nichts als Lippenbekenntnisse – im Namen der Demokratie, im Namen der Freiheit, im Namen einer besseren Welt.

Die berühmtesten und dadurch die abscheulichsten Beispiele dafür sind: der Umgang mit den persönlichen Daten der Kunden einiger Internet-Giganten, die Steuerinseln, auf denen einige Politiker und Wirtschaftstreibende ihr Geld geparkt haben, der berufliche Wechsel von einigen für seriös gehaltenen Politikern und Politikerinnen zu sehr bedenklichen Firmen. Lippenbekenntnisse – ein versprochener Einsatz für eine bessere Welt und eine egoistische Lebensentscheidung zu Gunsten der eigenen Tasche.

„Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“hören wir im ersten Johannesbrief. Denn die christliche Botschaft darf kein Lippenbekenntnis sein. Der Glaube an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, ist keine Theorie, sondern eine Lebenshaltung, die uns auf andere öffnet und zu den anderen führt. Die christliche Botschaft ist keine spirituelle Schwärmerei, die den Realitätsbezug übersieht. Die christliche Botschaft bedeutet die Nachfolge, also den Gang in den Spuren Jesu, dessen Beziehungen zu den Mitmenschen ein Abbild der Beziehung der göttlichen Dreifaltigkeit waren.

Keine Lippenbekenntnisse, sondern hingehen, ermutigen, heilen, stärken, vergeben, versöhnen – also lieben. Keine Lippenbekenntnisse, sondern Taten, die als Zeugnis unserer Zugehörigkeit zu Christus erkannt werden können; Taten die davon sprechen, dass wir mit ihm verbunden sind, aus seiner Liebe leben, damit sein Geist die Welt verändern kann.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
irgendwie haben wir uns an die Lippenbekenntnisse schon so gewöhnt, dass wir oft nicht einmal mehr unterscheiden können, was Wahrheit ist und was nur ein Schwindel. Irgendwie werden wir mit den Lippenbekenntnissen so überhäuft, dass wir schon dann und wann den Glauben an die Macht des Guten und der Liebe verloren haben. Den können wir aber wieder gewinnen, wenn wir ganz eng mit Christus verbunden bleiben, wie die Reben am Weinstock, die ohne ihn vertrocknen und nur einen Haufen dürres Holz darstellen.

Ich wünsche uns allen, dass es uns immer besser gelingt,in Liebe und in Wahrheit Zeugnis für Christus zu geben. Ich wünsche uns, dass wir aus der Verbindung mit ihm zu solchen Taten fähig werden, die als Zeichen des göttlichen Wirkens in der Welt durch uns erkannt werden.

Slawomir Dadas
Pfarrer